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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0083
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I 2 Kirchenordnung von 1543

Der Herr Jesus, in der nacht, da er verraten ward,
nam er das brot, danket und brachs und gabs seinen
jungern und sprach: Nempt hin und esset! Das ist
mein leib, der fur euch gegeben wirt. Das tut zu
meinem gedechtnus!
Desselben gleichen nam er auch den kelch nach
dem abendmal und danket und gab in den und
sprach: Trinkt alle daraus! Das ist mein blut des
neuen testaments, das für euch und fur vil ver-
gossen wird zu vergebung der sünden. Solchs tut,
so oft irs trinkt, zu meinem gedechtnus!
Und dise wort sollen wir auch fur augen haben
und für das recht haubtstuck des abendmals des
Herren halten.
Die zusetz aber der menschen sein mancherlei und
nicht zu einer zeit angerichtet worden; dann sie sein
einsteils von den alten heiligen vätern aus christ-
licher freiheit der gemein zur besserung angericht,
als da sein die christliche lection, gebet und lob-
gesäng, die man darbei pflegt zu halten, daran sie
nicht allein nicht unrecht haben geton, sonder auch
die gemein Gottis darmit gebessert, wie Paulus in
der ersten zun Corinthiern am 14. [26] befolhen hat
und gesprochen: Wann ir zusamenkompt und hat
einer ein psalm, ein lehr, ein offenbarung, ein aus-
legung etc., so laßt es alles geschehen zur besserung.
Darumb soll man solche christliche lection, gebet
und lobgesang nicht abtun; dann Christus selbs mit
seinen jungern beim abendmal lobgesang gesprochen
hat, Mat. 26 [30].
Einsteils aber sein von ungelerten und desglaubens
unerfarnen leuten aus einem fürwitz und ein kreme-
rei daraus zu machen hinzu gesetzt, auf das sie mit
ertichten worten, wie Petrus spricht [2. Petr. 2, 3],
an der gemein handirten, als da ist: das man ein
opfer daraus hat gemacht für die lebendigen und
toten, die heiligen darbei angerueft, allerlei un-
christliche geseng und gebet, dem wort Gottis unge-
meß und entgegen, darein gemischt und solcher miß-
breuch so unzelich vil, bis es zuletst dahin ist kom-

2 In Grestalt von Votivmessen (Eisenhofer 163).
3 1. Kor. 11, 30.
4 Im Mittelalter wurde der heute Offertorium genannte
Teil der Messe als Kleiner Kanon (canon minor), der

men, das des Herrn abendmal, welchs allein umb
der gewissen willen, dieselbigen mit vergebung der
sünde zu trösten und christliche, brüderliche lieb an-
zurichten, eingesetzet worden ist, hat zu allerlei
handeln und gescheften müssen dienen.
Dann man hat nicht allein meß gelesen wider fie-
ber und allerlei krankheit, sonder auch wider ar-
muot, wider gefahr leibs und guts etc. Ja, man hat
auch zauberei darmit getriben2 und ist darzu mit
in das ertichte fegfeur kommen, die seelen daraus zu
erlösen, welches alles große, greuliche und strefliche
mißbreuch sein, umb welcher willen on zweifel Got
der Herr die welt mit allerlei plagen heimsucht und
straft, wie er dann auch die Corinthier darumb, das
sie mit dem heiligen abendmal ungebürlich umb-
gingen, mit krankheit und dem tode strafet.3
Auf das wir nun solcher straf empfliehen und
nicht als der knecht, der seines herren willen weiß
und dennoch nicht tut, mit vil streichen geschlagen
werden, sollen sie solche greuliche mißbreuch unter-
lassen und abstellen, nemblich beide canones4, an-
ruefen der heiligen, und darbei christliche gesang
brauchen und singen, wie hernach folgen wird.
Dann das solchs opfer unrecht und unchristlich
sei, ist aus nachfolgenden ursachen gwißlich zu
schließen. Erstlich hat es Christus, unser Herr und
einiger meister, nicht geton noch zu tun befolhen.
Desgleichen haben es auch die heiligen aposteln
weder geton noch zu tun befolhen, sonder in aller
maß angericht, wie sie es von Christo gesehen und
gehört hetten, wie man wol sihet in der ersten epi-
stel Pauli zun Corinthiern am 11. capitel [23ff.].
So ist auch solchs opfern lang hernach erst in
brauch kommen, wie man im großen und kleinen
canon wol sihet5, 6das sie auch ante consecrationem
lauter brot und wein für die lebendigen und toten ge-
opfert haben, und ist solchs unangesehen irer aus-
flucht, die sie darbei gerne furwenden wölten, eini-
ger verlegung nicht wirdig; dann ein jeder versten-
diger kan ermessen, was es für grund haben mög,
das schlechtem wein und brot ante consecrationem
heutige Kanon als Canon major bezeichnet (Braun
151ff. - Jungmann 2, 222).
5 Siehe Anm. 1!
8-7 Aus 1540 (Sehling 3, 64).

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