Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0105
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I 2 Kirchenordnung von 1543

und trinken, essen und trinken inen selbs das ge-
richt [1.Kor. 11, 29].
Sein derhalben solche rohe leut ires sündlichen,
ergerlichen lebens fleißig zu erinnern und mit Gottis
gesetz und gericht, darzu mit der ungewissen stund
des tods und der erschreckliehen gefahr der ewigen
verdamnus ernstlich zu schrecken und zur buß zu
treiben, auf das sie reu und leid empfahen, genad
suchen und ir leben bessern, dieweil sie noch frisch
und gesund sein, damit es nicht gespart werd zur
letsten stund, da es dann schwer sein wil, sie mit
dem götlichen gesetz zu schrecken und zu demüti-
gen, damit sie der sünde empfinden, sie erkennen
und bereuen und dester emsiger die gnad suchen
und begeren. Und so sie dann ir gewissen zu disem
hochwirdigen testament Christi, darin vergebung
der sünde verheißen wirt, treibet, das sie alsdann nit
auf ir eigen werk, sonder auf die wort und werk
Christi wöllen sehen und gründen, nemblich da er
solche verheißung tut und zu merer sicherung auch
sein heiligen, waren leib und sein bluot mit dem leip-
lichen munde warhaftiglich zu genießen als ein sich-
tigs wort, gewises pfand und warzeichen seiner
gnade dargibt und uns alle mit seinem festen, un-
wankelbaren glauben fassen. Dann dardurch wirt
man der uberschwenklichen, reichen gnad fähig und
teilhaftig also, das auch die guten frucht, so hernach
folgen sollen, nicht außen bleiben, damit in der
christlichen liebe besserung und verneuerung des
lebens beweist werden.
Wann nun das volk mit solchem fleiß teglich zur
letsten stund bereitet wirt, ist es sovil dester leichter,
durch götliche gnad, wann die anfechtung und letste
zeit daher gehet, mit in zu handeln, wiewol es allweg
mühe und arbeit erfordert und nachlessigkeit und
schedlich sicherheit fleißig sein zu vermeiden.
Darneben sollen die seelsorger bei irer seligkeit
und pflicht ires ampts, darmit sie vor Got verbun-
den, eingedenk seien der kranken und derjenigen, so
in anfechtung sein, sich treulich annemen. Dann so
Christus am letsten gericht unter andern werken der
barmherzigkeit der besuchung der kranken geden-
ken wil, so gebürt den seelsorgern, in dem dester
ernstlicher und fleißiger anzuhalten; dann da ist
erst der dienst des worts am höchsten vonnöten. Sie

sollen auch nicht allweg erwarten bis sie erfordert
werden, sonder, wo sie es erfaren (dann darnach sol-
len sie auch forschen), sofern sie anderst zugelassen
werden, an irem fleiß nicht mangeln lassen und irem
ampt nach sterk und tröstung mitteilen ungeachtet
der leut undankbarkeit und, das vileicht etliche der-
selbigen in iren gesunden tagen sich nicht darzu ge-
schickt haben, die man gleichwol darum in der
letsten gefahr nicht versaumen sol. Und ob das
gleich nicht bei jederman möcht frucht bringen, so
werden doch vil dardurch mit götlicher gnad und
hilf dem Bösen aus dem rachen gerissen.
Es soll aber nicht gestattet werden, das die münch
oder andre irrige, aberglaubische personen, so noch
in iren alten irrtumben verstockt, ersoffen oder ver-
dechtig sein, sich solchs ampts anmaßen, damit sie
die leut nicht von Christo ab und auf ire superstition
im letsten ende verfüren und sie dardurch verderben
und dem Teufel vollent in rachen schieben, wie leider
allzu oft geschehen.
Wann nun die pfarrherrn, caplän oder verordnete
kirchendiener die kranken besuchen, sollen sie die-
selben oder die iren nicht mit storrigem gemüte, wie
etliche, so sie etwas mangel sehen, zu tun pflegen,
anfaren und erschrecken; denn da ist nicht die zeit
des schreckens, sonder des tröstens. Aber gleichwol,
so mangel vorhanden were, darumb sich zu reden
gebüret, sollen sie solchs mit gelindigkeit, aus lieb
und guter wolmeinung herfließend, anzeigen und mit
sanftmut strafen. Und wiewol sich gebürt, den kran-
ken die größe der sünden anzuzeigen, damit die
dester mer der gnad begern, so ist doch das für-
nemste, das man sie im glauben sterke und tröste,
damit sie nicht in verzweiflung von hinnen scheiden.
Es haben auch vil gelerte und geschickte leut
mancherlei weis und form beschrieben, wie die
kranken zu vermanen und zu trösten seien. Aber
dieweil die kranken nicht einerlei sein, auch mit
unterschidlichen anfechtungen beladen, einer nicht
so wol unterricht als der ander, einer auch nicht so
vermöglich, unterricht anzuhören, als der ander und
mit etlichen geeilt muß werden und derhalben ge-
nugsam sein wil, das man in ein oder zwei tröstliche
sprüch vorsage, darauf sie sich mögen gründen und
verlassen, so müssen demnach die seelsorger uber die

85
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften