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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0197
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I 20 Generalartikel von 1576

halb stund, weils examen darauf volgt, nit uferzogen
werden, damit jung und alt darzue lustig und dar-
von durch lange predig nicht abgeschreckt noch
abgehalten werden.
6. Im fall aber etlich ungelert und schwach be-
funden, denselbigen soll bis uf andere vorsteende
gelegenhaiten uferlegt werden, die predigt des cate-
chismi, durch den Brentium und Osiandrum gestellt
und in truck verfertigt16, dem volk verstendiglich
vorzelesen und in examine hernacher etwas einfelti-
ger zu erkleren.
7. ⌜Verners sollen angeregts catechismi examina
und verhör aus bewegenden ursachen alle sonn- und
feirtagen allain in der kirchen und nit im pfarrhaus
(außerhalb der eußersten not, großer kelten oder
anderer vorfallender, besondern ursachen halber)
vorgenommen noch verrichtet werden.⌝
8. Und damit das gemain volk durch hartes,
grob und unbescheidenlich anfahren der pfarrer
und kirchendiener von sölcher verhör nit abge-
schröckt werde, sollen die pfarrer sich hierin aller
lindigkait gebrauchen, freundlich und bescheiden-
lich den kindern und ehehalten17 zuesprechen und
an zimblicher antwort sich benuegen lassen, da-
gegen die fleißigen loben und den andern oft und vil
anzeigen, wie nutzlich und hailsam die lehr des
catechismi seie, und si mit aller bescheidenhait zu
größerm fleiß vermanen.
[9.] Sovil dann das järlich examen des catechismi,
so vor der ordenlichen visitation in der fasten am
füeglichsten ze halten, betrifft, sollen die superinten-
denten, wo vorhin nit beschehen, bei allen pfarrern
ihres gezirks daran sein und verfuegen, daß in sol-
cher vorhabender exploration alle hausleut sambt
derselben kinder und gesind mit namen ufgezaichnet
und darbei vermeldet werden, welcher oder welche
in solchem examine fleißig oder unfleißig, wol oder

16 Von Joh. Brenz (oben S. 25 Anm. 7) gibt es zwar
einen sehr beliebten Katechismus, aber keine Kate-
chismuspredigten (W. Köhler, Bibliographia Bren-
tiana. Berlin 1904. Register). Gemeint sind wohl die
Kinderpredigten der Brandenburg-Nürnbergischen
Kirchenordnung von 1533, die im wesentlichen von
Andreas Osiander (oben S. 20 Anm. 25) stammen
(Sehling 11, 206-279). Der Irrtum kommt daher,
daß Brenz an der Bearbeitung der Kirchenordnung
stark beteiligt war (Sehling 11, 118ff.).

ubl bestanden seie, dieselbige verzeichnus alsdann
zuhanden nemen, damit der superintendens in
kunftiger visitation diejenige, so wenig oder gar
nichts proficirt, vornemen, examiniren und, wo not,
mit christlicher beschaidenhait und freundlichem
zuesprechen zur lernung vermanen, damit also dise
lehr befurdert und das gemain volk nit abgeschreckt,
sonder zur lehr des catechisimi gereizet und lustig
gemacht werden.
10. ⌜Nachdem aber die predig des catechismi wie
auch besonders zu sommerzeiten die fruepredigen
durch die tänz, büxen- und armbrostschießen, ku-
gelpletze, spielen, erdbeer- und haselnußgeen, fech-
ten, gauklen und andere schauspil, ausfahren, ausreu-
ten, spaciern, am schwatzmark steen, kirchweihinen,
jarmarkt an feirtagen, haimgarten18, zechen, wirts-
heusern und was dergleichen in stetten, märkten,
dorfern und flecken mehrmals versaumbt und die
leut, jung und alt, darvon abgezogen, soll⌝ durch er-
neuerung unsers mandats19 alles abgeschafft und
mit ernst darobgehalten und ⌜von den ubertretern
die ufgesetzte straf, in armenkasten zu bezahlen un-
nachleßlich erfordert und genommen werden.
[11.] Deswegen und uf das solche ergerliche ver-
saumung und verachtung Gottes worts mit ernst
abgeschafft, soll ein rat aus irem mittl zween von
den zwölfen und zween von den vierundzweinzigern
des rats neben dem stattknecht bestellen und ihnen
besonders bei ihren pflichten uferlegen, alle sonn-
und feirtag under dem catechismo und andern pre-
digten herumberzegeen und allenthalben fleißige
guete achtung ze geben und, da si dergleichen per-
sonen, es seien alt oder jung, uf der gassen, offent-
lichen spilbletzen, wirtsheusern oder andern orten
außerhalb der kirchen befinden, sollte der- oder die-
selbige erfordert und von den alten ein schilling, den
jungen aber ein halber schilling bairisch20 in den
17 = vertragsmäßig angestellte und in die Hausgemein-
schaft aufgenommene Dienstboten (Schmeller 1,
8).
18 = besuchsweise zusammenkommen (Schmeller 1,
938 f.).
19 Vorläufig noch nicht gefunden.
20 Ein baierischer oder langer Schilling zählte im Un-
terschied zu dem sonst überall üblichen (kurzen)
Schilling, der nur 12 Pfennige =24 Heller meinte,
30 Pfennige = 60 Heller (Schmeller 2,398-401).

12 Sehling, Bayern III

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