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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0216
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Herzogtum Pfalz-Neuburg

lange zeit der kirchen vorsteen möchten, billich, so-
vil immer muglich, verschont werden möchten, sollen
die ambtleut sambt den superintendenten dise an-
ordnung an allen orten verfuegen, damit kranken-
tröster, seelwarter oder -warterin von mann- oder
weibspersonen dermaßen bestellt [werden], daß si zu
sterbnuszeiten den kranken nit allain auswarten,
sonder auch, wo not, mit Gottes wort zuesprechen
und si trösten künten, welche dann, nachdem si be-
stellt, von den pfarrern underrichtet, wie si den
kranken nach gelegenhait der personen zuesprechen
sollen.
Doch sollen die personen allain in den notfällen
gebraucht, zu andern zeiten aber, wann die ster-
bende leuf nachlassen, die kirchendiener arme leut
sowol als die reichen auch unerfordert besuchen und
sich uf solche seelwarter nicht verlassen.
2. Dieweil auch vil daran gelegen, welchergestalt
die kranken, so nicht uf einerlai weise in iren gewis-
sen angefochten, aus Gottes wort underschiedlich
getröstet oder underwisen, so sollen die superinten-
denten fleißig erkundigung von ihnen einnemen, uf
was weis und underschied si den kranken zuespre-
chen und, da si nit der geschicklicheit weren, ihnen
alsdann richtige, guete anleitung geben, damit si
sich gegen jeder person der gebür nach zu verhalten
wissen mögen.
Da auch die pfarrer oder kirchendiener bei den
kranken große armuet, hunger und andere derglei-
chen mengl spüren wurden, sollen si bei den ambt-
leuten oder kirchenvätern oder, wem solch ambt
bevolhen, die verfuegung tun und verschaffen, da-
mit ihnen aus dem gotteskasten zu solcher zeit ge-
holfen und also in solchem fall nicht verlassen wer-
den.
XXIV.
Von toten und begrebnussen.
1. So jemand tots verschieden, soll derselbig vor
vierundzwainzig stunden, da es die zeit erleiden
möcht, oder ufs wenigist vor zwelf stunden nit zur
erden bestattet werden.

= Erschrecken, Entsetzen (Grimm, 5, 879. -
Schmeller 1, 1248).

2. Nachdem in mangl der leuchtuecher und toten-
baren an etlichen örtern die verstorbene leichnam
über feld oder sonsten zur begrebnus abscheulich
gefuert und getragen werden, so sollen umb ehrlicher
beleitung willen dergleichen leuchtuecher und toten-
baren von der kirchen oder heiligen einkomen fur-
derlich gemacht und nit lenger eingestellt werden.
3. Nachdem sich auch bei den begrebnussen aller-
lai unordnung zutragen, soll die tote leich mit orden-
licher proceß bis uf den gottesacker von allen per-
sonen, so mit der leich geen, begleitet und das erger-
lich durcheinanderlaufen mit allem ernst abgeschafft
werden.
4. Da auch andere personen zur kirchen kommen,
sollen si sich besunder uf ein ort stöllen und die
stuel, zu den klagenden personen verordnet, frei-
lassen, damit si notturftig raum und platz haben
mögen.
5. Die begrebnussen und gottesäcker sollen von
wegen verkomung62, abscheu und schrecken der
junge leut, auch der unreinen luft außerhalb der
statt und flecken, wo muglich zugericht, auch ehr-
lich und geburlich gehalten und verwart werden.
6. Wo irgend zwaierlai gottsacker in und außer-
halb der statt weren und etwa furnembste leut iren
begrebnussen in der statt haben und begeren wur-
den, soll denselbigen ein solches unverbeten sein,
doch daß si deswegen ein anzal gelts in gottskasten
geben.
7. So sollen auch furohin aus sunders bewegenden
ursachen die todengräber niemand, er sei alt oder
jung, auch die kinder, so tots verschieden, begraben,
si haben dann ein solches dem pfarrer und kirchen-
diener angezeigt, sich in ufzeichnung derselben dar-
nach haben ze richten.
8. Darneben auch die graber der kinder also tief
graben, daß si nit wider erhebt oder ausgraben wer-
den kunden.
9. So soll hinfuro den traurenden personen keines-
wegs mehr gestattet werden oder zugelassen sein,
nach beleitung und erdbestetigung des toten cör-
pers, sich ins wirtshaus zu vervuegen und mit wein
oder bier ze trösten.

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