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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0227
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I 20 Generalartikel von 1576

Alle brief, register, saalbuecher und andere ur-
kunden, so der pfarr, kirchen, capellen, fabrik,
pfruenden, fruemessen zuestendig oder dergleichen
sachen besagen, sollen an einem ort, vleißig inven-
tirt sein und bleiben, auch fur feur uf das best und
möglichist verwart werden.
Wo sich auch in kriegsleufen, durchzugen und
anderer fursteender gefahr zuetruege, daß man
solche in bössere gewarsam verschaffen wollte, soll
man es mit rat der oberambtleut und superinten-
denten tuen und nit in frembte herrschaft tragen
oder verfüeren.
Es sollen auch die register umb besserer verwa-
rung willen in das consistorium geschickt, daselb-
sten abcopirt und den kirchenschaffnern abschrif-
ten zuegestellt, die original aber bei dem consistorio
behalten werden.
Damit auch nicht allain die brief, sunder auch der
kirchenkleinot, kelch, patenen und anders, desglei-
chen dasjenig, so in die kirchen geflechnet20 oder
sunst in die kirchen gestellt wirt, desto besser ver-
wart und versorgt sei, sollen si daran sein, das tur
und fenster mit starkem gütter, eisenrigeln und
schlossen, sunderlich sovil die sacristei belangt, wol
und also versehen werden, damit man nicht ein-
brechen könne, furnemblich zu diser zeit, da des kir-
chenbrechens, stelens und raubens schier kain ende
ist.
Es soll auch zu verhuetung allerlai verdachts kai-
ner aus ihnen alle schlussl zum kasten, darinnen der
vorrat, brief, rechnung und register ligen, allain
haben, sunder ein jeder einen besundern und der
pfarrer desselben orts auch einen und sollen alle per-
sonlich darbei sein, wann gelt oder brief in den
20 = flüchten, fliehend in Sicherheit bringen (Schmel -
ler 1, 790. - Grimm 3, 1814f.).
21 = Spülkelch. Dabei wurde unmittelbar nach dem
Empfang der Brotgestalt den Kommunikanten mit
einem Kelch ein Schluck unkonsekrierten Weines
gereicht, was auch durch Laien geschehen konnte.
Der Brauch sollte nicht etwa dem Volk vortäuschen,
daß ihm doch Abendmahl unter beiderlei Gestalt
gereicht würde. Der „Kelchentzug“ begegnete ja
vielfach dem Wunsche des Volkes bei seiner Angst
vor Verschüttung des Heiligen Blutes, das nach Ein-
führung des Transsubstantiationsdogmas 1215 vor-
handen geglaubt wurde. Der Kelch sollte vielmehr das
restlose und rasche Verschlucken der Brotgestalt er-

kasten ze legen oder herauszenemen sind, auch kei-
nes wider eines oder mehr willen gelt oder brief und
sunderlich alte brief und register herausnemen und,
wo si deshalben strittig werden, sollen si solches an
den superintendenten gelangen, auch desselben und,
im fall es von nöten, unserer kirchenräte beschaids
erwarten.
Es ist auch in der visitation under anderm fur-
kommen, daß an etlichen orten sunderbare äcker
verhanden, darvon man von alters den wein zur
heiligen communion oder nachtmal unsers Herrn
Jesu Christi (welchen man gemeniglich speiswein21
ze nennen pflegt) ze reichen schuldig, dessen sich
aber die inhaber angeregter acker ze widersetzen
understeen.
Dieweil nun alles, das zu der kirchen und der-
selben underhaltung verordnet, unserm zum ofter-
mals ausgegangnem bevelch nach ohne abgang und
widerrede geleistet werden solle, so ist unser gnedi-
ger bevelch, daß die verordnete kirchenbröbst, kir-
chenväter oder, wie si sunst genannt werden, uf dise
und dergleichen gerechtigkait fleißig achtung geben,
dieselbige der kirchen keineswegs entziehen lassen,
auch an orten und enden, da si in abgang kommen,
widerumb durch hulf unserer ober- und underambt-
leut, auch, wo von nöten, unserer kirchenräte, gang-
haft machen und daran kainen vleiß sparen.
Sunst sollen si uf begeren des pfarrers und sunder-
lich des superintendenten in zimblichen dingen ge-
bürende verordnung tun und sich nit ohne ursach
etwas aus neid oder mißgunst widersetzen, wie dann
wol etliche kirchenbröbst dem pfarrer zue gefallen
nit ein secklin21* zum kelch oder einen chorrock ma-
leichtern. Der Brauch war in Deutschland teilweise
bis ins 19. Jahrhundert in Übung (Jul. Smend,
Kelchspendung und Kelchversagung in der abend-
ländischen Kirche. Göttingen 1898. 43-75. - Braun
4. 3. - Fr. Xav. Buchner, Der ehemalige Brauch
des Speisweins, in: Klerusblatt 21 (1940) Nr. 11; 22
(1941) Nr. 15/16. - Jos. Braun, Das Alter des Brau-
ches des Speisweins, ebendort 22 Nr. 15/16. — Matth.
Simon, Das Schenkungsbuch von St. Johannis in
Ansbach aus dem Jahre 1351 [ = EAKGB 35]. Nürn-
berg 1962. 60. 96. Nr. 173).
21 * In einem solchen wurde der Kelch bis zur Ver-
wendung aufbewahrt und zum Altar gebracht. Es ist
von dem seit der Reformationszeit in der römischen

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