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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0229
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I 20 Generalartikel von 1576

sehen haben, damit solchs in den almosenkasten ge-
livert und nichts veruntreut werde.
Die reichen stiftalmosen26, welche ohn zweifl den
armen allain zu gedachtnus gestiftet worden sein,
sollen hinfuro nicht mehr under die reichen, sunder
allain den hausarmen leuten und, wie man im rat
findet, den dörftigen ausgetailt und geraicht wer-
den.
Alle stattschreiber und gerichtspersonen, vor
welche testamenta ufgerichtet, sollen die testierende
kranken neben dem pfarrer zu milter handreichung
nach gelegenhait vermanen27.
Desgleichen sollen auch die geltstrafen, welche
vermög der censurordnung von wegen versaumbnus
göttliches worts und catechismilehr gesetzt, in disen
kasten gelegt werden.
Es sollen auch der armen pfleger im fall der not
mit gueter gelegenhait und beschaidenhait die rei-
chen selbst ansprechen und zu milten gaben bittlich
ersuechen.
Do ain spital eines zimblichen vermögens, soll das-
selbig dem armenkasten mit dem überfluß in eußer-
ster not zu hilfe kommen.
So soll auch ein jede statt, markt und dorf seine
arme leut selbst erhalten. Wo si aber arm und nit so
vermöglich, aus dem andern nechstgelegnen zu
statten kommen und eines dem andern in erhaltung
der armen die hand bieten.
Da bei hochzeiten und andern erlaubten dänzen
unzucht gebraucht und ungeburlichs, leichtfertigs
verdrehen und springen geüebt würdet, soll ein jede
verbrechende person, ein batzen28 zur straf in armen-
kasten zu erlegen, schuldig sein.
Desgleichen sollen auch die gotteslesterer, wo die-
selbige erfahrn, erstlich in gotteskasten zur christ-

1926. 105-109. — L. Pfleger, Untersuchungen zur
Geschichte des Pfarrinstituts im Elsaß, in: Archiv
für elsässische Kirchengeschichte 8 [1933] 63 ff.). —
Vor allem im schwäbischen Raum war in den evan-
gelischen Gottesdiensten eine solche Gabe für die
Armen selbstverständliche Sitte geworden (z.B.
Sehling 12, 38. 212). Zur Kennzeichnung der neuen
Zweckbestimmung scheint ein neuer Abgabeort -
ein Becken - neben dem für die Kirchenstiftung be-
stimmten Opferstock und dem dem gleichen Zweck
dienenden Klingelsack eingeführt worden zu sein. -
Ähnliche Vermahnungen zu Gaben für die Armen
etwa auch oben S. 107 und unten S. 532!

lichen vermanung und bruederlicher warnung nach
erkantnus der obrigkait an gelt, nachmals an leib
oder leben gestraft werden, in welchem allem die
ambtknecht und dergleichen personen aus beson-
derm ernstlichem bevelch jedes orts obrigkait ihr
vleißig ufsehen haben und niemand verschonen
sollen.
II.
Wem man und mit was ordnung aus dem casten
geben, helfen und raten, auch wie sich dieselbigen
halten sollen.
Erstlichs denen, so mit tiefer armut, alter
oder schwerer krankhait beladen.
Etlichen mueß man geben und helfen, die gar mit
tiefer armut, alter oder sonst mit schwerer leibs-
krankhait dermaßen beladen, daß si nit mehr arbei-
ten und dienen mögen und sich ir tag frömblich mit
treuer arbait oder diensten gehalten. Wa dann solche
arme in einer statt, da ein spital ist, erfunden, die
sollen in gedenkung, daß dieselbigen spitäl allain
solchen armen zu trost fundirt, in dasselbig spital
ufgenommen und darinnen der gelegenhait nach er-
halten werden.
Wo aber in stetten, märkten oder dörfern, da
solche arme und kain spital weren, die sollen von
den gemeinden undergeschlaift und alsdan ihnen
von den gemainden, auch armenkasten selbigen orts,
sovil die gelegenhait desselbigen kastens erleiden
mag, hilf getan werden. Wa aber des kastens un-
gelegenhait halber sich die zuhilf daraus des armen
notturft nach nit soweit erstrecken möchte, alsdann
die gemain mit ir handsteur zegeben und helfen
und die prediger das volk ermanen, solchen from-
26 Damit sind Almosen gemeint, die jährlich an einem
bestimmten Tag, meist dem Sterbetag des Stifters
oder an den hohen Festen ohne Frage nach der Be-
dürftigkeit ausgeteilt werden sollten (Reigel 549,
558) wie etwa bei der Hirsebreikirchweih in Uffen-
heim (J. A. Bullnheimer, Geschichte von Uffen-
heim. Ansbach 1905. 107 f.).
27 Daß diese Anregung nicht erfolglos war, bewiesen
die mancherlei Schenkungen, die in der evangeli-
schen Zeit gemacht wurden (Böhaimb 23, 44f. -
Reigel 549).
28 = 4 Kreuzer.

14 Sehling. Bayern III

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