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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0285
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nicht als reformiert betrachte, also noch weiter gehen wolle. Ebenso wagten aber die Lutheraner, die die
Ein- und Angriffe Friedrichs sehr ernst nahmen, auf dem Reichstag — einmal um die Einheit des Prote-
stantismus nicht zu zerstören, und sodann, weil sie ihm den Schutz des Religionsfriedens nicht entziehen,
aber auch auf seine Stimme im Kurfürstenkollegium nicht verzichten wollten - doch nicht, ihn nicht
mehr als Konfessionsverwandten anzuerkennen. Nachdem er so als Konfessionsverwandter anerkannt
war, änderte sich nun sofort seine Kirchenpolitik gegenüber der Oberpfalz. Zunächst wurde in Heidel-
berg ein bis ins einzelnste gehender, alle Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigender Plan für das
Vorgehen des Kurfürsten persönlich festgelegt8. Dann kam Friedrich, da er zunächst überzeugen und
nicht vergewaltigen wollte, mit seinem, Hoftheologen Kaspar Olevianus9 im Oktober 1566 nach Amberg,
wo ein oberpfälzischer Landtag gehalten werden sollte.
Gleich nach seiner Ankunft in Amberg erklärte Friedrich, er wolle hier die Religion wie in der
Rheinpfalz „anrichten“, wobei ihm freilich sein Sohn Ludwig entgegnete, er wolle lieber die Statthalter-
schaft niederlegen als seine Religion ändern. Am 31. Oktober 1566 trug Friedrich dem inneren, am
1. November dem äußeren Rat samt den Geistlichen seine Abendmahlslehre vor. Daran schlossen sich
ausführliche Religionsgespräche mit jedem einzelnen der Geistlichen, wobei vor allem Pankratius10
Olevian gegenüber sehr rühmlich abschnitt.
Der Landtag unterbrach die Religionsgespräche. In den Kirchen sollten einstweilen nur die aus der
Rheinpfalz mitgebrachten Prediger predigen. Das erstemal ging alles gut. Als aber am nächsten Sonntag
wieder die fremden Geistlichen auf die Kanzel gingen, stürmte in beiden Kirchen die Gemeinde mit Ge-
schrei aus der Kirche. Die Kurfürstenwitwe Dorothea zu Neumarkt und der Administrator Richard zu
Waldsassen veranlaßten den Kaiser zum Eingreifen. Er schrieb an den Kurfürsten und an den Land-
tag, daß im Reiche nur die Bekenner der Augsburger Konfession geduldet seien. Die Stände bekamen
dann nach langen Verhandlungen die belanglose Zusicherung, daß nichts gegen das Augsburger Be-
kenntnis geschehen solle.
Ebenso ergebnislos verlief die Fortsetzung der Religionsgespräche der Geistlichen. War so der Plan
einer gütlichen Vereinigung bzw. einer Bekehrung der Lutheraner gescheitert, so griff der Kurfürst jetzt
zu Polizeimaßnahmen. Er ließ vier Punkte zusammenstellen, zu deren Befolgung sich die Lutheraner
schriftlich verpflichten sollten. Sie wurden ihnen am 9. Dezember vorgelegt:
1. Alles gegenseitige ,,condemnieren“ sollte unterbleiben.
2. Von der Berührung mit der anderen Lehre darf nicht abgehalten, Anhänger der anderen Rich-
tung dürfen nicht vom Abendmahlsempfang ausgeschlossen werden.
3. Über das Abendmahl darf nur in Wendungen gesprochen werden, wie sie in bestimmten einzeln
aufgeführten Lehrbüchern gebraucht werden.
4. Alle abergläubischen (nicht im einzelnen genannten) Zeremonien sind zu unterlassen11.
Die ganze Verordnung klingt sehr freundlich, läßt aber jedes Verständnis dafür vermissen, daß
man sich so zwar gegen einen abergläubischen Rückständigen und Schwachen verhalten kann, die gleiche
Haltung aber nicht von dem gefordert werden kann, der in der abweichenden Lehre Ungehorsam gegen
ein klares Schriftwort sehen zu müssen meint. Und darum ging es ja in Amberg.
Die Amberger Geistlichen verweigerten auch sogleich diese Unterschrift und wurden daraufhin
auch gleich entlassen. So war Amberg an Weihnachten 1566 ohne lutherischen Gottesdienst. Vor allem
8 Götz, Kalvinismus 64-71. - Walter Hollweg, Der Augsburger Reichstag von 1566 und seine Bedeutung für die
Entstehung der Reformierten Kirche und ihres Bekenntnisses (= Beiträge zur Geschichte und Lehre der Refor-
mierten Kirche 17). Neukirchen 1964.
9 RE 14, 358-362. - Schottenloher 10614-10623.
10 Siehe oben S. 30 Anm. 50!
11 Unsere Nr. II 5. - Lippert, Reformation 105f. — Götz, Kalvinismus 94f.

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