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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0307
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II 2 Kirchenordnung in der Martinskirche zu Amberg 1550

Von der frulection.
Die frulection wurd von wegen der handwerker,
taglöner und ehehalten23 zu morgens fru ungeferlich
auf dise weis gehalten:
Briester:
Deus in adjutorium etc. [Psalm 70, 2]!
Chorus:
Deus, ad adjuvandum etc. [Psalm 70, 2]! und
darzu einen oder zwen psalmen lateinisch wie in der
vesper oder metten, bis das volk zusammenkumbt.
Briester
liset vor dem altar gegen dem volk ein ganzes capitel
aus der bibl und einer kurzen summarien24 oder aus-
legung, darnach die offene beicht25 und das gemeine
gebet mit dem morgensegen26, weliches das volk im
nachsprechen, zuletzt ein collectam und ein deut-
schen psalmen.
Vom einleiten der ehelichen personen.
Es werden auch die personen, so sich zum ehe-
lichen stand begeben wollen, nicht eingeleidt, dann
si haben sich zuvorhin erzaiget und zum dritten mal
vom predigstul verkundigen lassen.
Die einleitung aber geschicht nach eines jeden
gelegenhait und begern eintweders unter oder aber
nach der meß ungeferlich auf dise weis:
Erstlich wurdt das volk durch den briester vor
dem altar vermanet, fur die personen ein Vater
unser zu sprechen.
Darauf fraget er den breutigam und die braut, ob
eines des andern zu ehelichen gemahel begere.
Antwurt: Ja.
Darnach sagt er inen in gegenwert der andern aus
der heiligen schrift vom ehelichen stand27 - erst-
lich, wie Gott der Herr denselben eingesetzt und wie
hart er die ehelichen personen miteinander verbun-
den hat, zum andern: wie sich eheliche personen im
selbigen stand und eines gegen dem andern sollen
23 Siehe oben S. 177 Anm. 17!
24 Veit Dietrichs nämlich (siehe oben S. 176 Anm. 13!).
Seine Summarien - kurze Betrachtungen - zum Alten
Testament erschienen 1541, die zum Neuen Testa-
ment 1544, beide zusammen seit 1544 (Klaus 3. 6).
25 Wie im mittelalterlichen Predigtgottesdienst (siehe
oben S. 283!).
26 wohl der Martin Luthers in seinem Kleinen Kate-
chismus (Bekenntnisschriften 521).

halten, zum dritten: von der widerwertikeit und
vom kreuz, weliches Gott der Her von wegen der
erbsunde auf disen stand gelegt hat, zum vierten
vom segen und trost, welichen Gott der Her frommen
und gottfurchtigen eheleuten zu geben verhaißen
und zugesagt hat.
Darauf singet er ein collectam28 und spricht uber
si die benediction etc.
Vom conduct und begrebnus der verstorbenen.
Die verstorbenen werden ehrlich und christlich mit
ganzem oder halben chor, wie das von einem jeden
begert wurdt, zu begrebnus gelaidt und getragen, und
singet der chor under dem conduct das Media vita
deutsch oder lateinisch, das responsorium Si bona
suscepimus oder den deutschen psalm Aus tiefer not.
Uber der sepultur, wen die leich ins grab hinein
gelassen wird, singet man das deutsche Nune dimit-
tis Mit frid und freid etc.
Darnach geht jedermann von dem grab in die
kirchen, und im eingang singet der chor den glau-
ben29 deutsch. Nachvolgends dritt der briester fur
den mittlaltar30 und tut eine kurze trostpredig oder
vermanung an das volk, weliches mit zur begrebnus
ist gangen, darinnen er am allerersten des verstor-
benen seele der gnade und barmherzigeit Gottes be-
felhet, bitt und wunschet ir von Gott ein fröliche
auferstehung und ewige ru und selikeit. Darnach
sagt er aus der heiligen schrift von der auferstehung
der toten, vom ewigen leben und, wie sich die chri-
sten bei und uber iren verstorbenen recht halten,
trosten und stellen sollen, singet darauf ein collec-
tam und beschleust also der chor disen actum mit
einem deutschen psalmen oder gesang.
[Kanzleivermerk auf der Rückseite:]
Doctor predicantens verzeichnus, wie es in der
religion gehalten, 29. Novembris im [15]50.
Ist etwas gemert und in die canzlei geantwort.
27 Ganz ähnlich Pfalz-Neuburg 1543 (siehe oben S. 91!)
und damit 1533 (Sehling 11, 200f.).
28 Diese Kollekte 1533 (Sehling 11, 202).
29 Luthers ,,Wir glauben all...“.
30 = der Hochaltar. Ihrem ganzen Grundriß zufolge
hatte die Martinskirche außer ihm nur Altäre in den
Seitenkapellen (KDB Stadt Amberg 80 ff.).

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