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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0369
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II 18 Generalanweisung von 1598

gegen aber das fundament christlicher religion und
der weg zur seeligkeit weniger, als wol die notturft
erfordert, getrieben würdt, item das die meisten
kirchendiener also predigen, als stünden sie nicht
uf der canzel für solchen armen,unwissenden leuten,
sondern uf einer hohen schul in cathedra, sich bis-
weiln auch nicht ohne großen übelstand in loco tam
sacro ganz unnötig und untheologisch erzürnen, so
sollen kirchenräte für sich selbst und durch die inspec-
tores die prediger davon mit allem ernsten fleiß ab-
halten und ihnen von unsertwegen uferlegen und be-
fehlen, daß sie sich in ihren predigen nach der gele-
genheit der zuhörer richten, denselben dasjenige, so
zum rechten fundament der christlichen lehr und
zu wahrer gottseeligkeit dienstlich, wie sie das son-
sten in den predigten oft und viel uf das einfaltigste
widerholen und wol inculciren, auch zeigen, wie sie
dasselbige in exercitiis poenitentiae et invocationis
ihnen selbst appliciren und gottseelich brauchen
sollen.
Soviel aber irrige lehr anlangt, welche kirchen-
dienern, nach der zuhörer gelegenheit und erheu-
schenden notturft zu widerlegen, in alle weg oblie-
gen tut, sollen sie forschen und erlernen, mit was
falschen opinionen ihre zuhörer eingenommen sein
oder inskunftige möchten eingenommen werden,
und dieselbe ihnen fein einfaltig ohne große weut-
leuftigkeit und ergerlich zürnen und ungestümb
boldern durch das h[eilige] wort Gottes ausraumen
und sie durch fleißige einbildung der warheit für
solchen opinionen verwarnen (als in sonderheit zu
jetziger zeit ist die opinio operis operati11, trans-
substantiationis12, consubstantiationis13, ubiqui-
tatis14), hergegen aber alles unnötige streiten und
zanken uf der canzel bei den einfältigen leuten ein-
stellen, damit sie nicht etwan denjenigen, die solche
von ihnen uf die canzel gebrachte irrtumen zuvor
nie gehört, dieselbige erst in die köpfe stecken und,
indem sie irrige lehr vermeinen zu widerlegen, die-

11 Die Meinung, daß die Sakramente durch den bloßen
Vollzug (ex opere operato) auch ohne innere Beteili-
gung des Empfängers ihre Heilswirkung üben (RE
17, 363-366), von den Reformierten den Verfechtern
der Nottaufe nachgesagt.
12 Die seit 1215 dogmatisierte Lehre der katholischen
Kirche, daß in der Messe die Abendmahlselemente in

selbige eben durch solch vorzeitig und unbesunnen
widerlegen in die zuhörer selbst pflanzen - sonder-
lich, wann die prediger solcher widerlegung nicht
genugsam gewachsen sein oder bei den einfältigen
die nicht verständlich genug wissen vorzubringen.
17. Ferner, damit zugleich auch durchaus ortho-
doxe gelehrt werde, so soll ein kirchenrat fleiß an-
wenden, daß diejenigen, so jetzo in kirchen und
schulen dienen und noch nicht orthodoxi seind, in
den classicis conventibus15 und sonsten mit christ-
licher beschaidenheit, sanftmut und anhaltendem
fleiß mögen gewunnen und zu erkantnus und be-
kantnus der warheit gebracht werden.
18. Es sollen aber kirchenräte ihnen in diesem
stuck, so die ufsicht uf die lehr betrifft, nichts höher
und mehr lassen angelegen sein dann, daß der scopus
seu finis ultimus huius doctrinae verricht werde,
derowegen sie dann stetig dahin zu trachten und
beedes, bei lehrern und zuhörern, darauf zu tringen,
daß es bei den eheleuten und wittfrauen sambt ihren
erwachsenen kindern in der angestelten wochent-
lichen unterweisung, wie auch in den predigten und
privatgesprächen (welche kirchendiener neben den
predigten ihren zuhörern in alleweg schuldig seind)
dahin bracht werde, daß sie das fundament der
christlichen lehr dermaßen und also begreifen, da-
mit sie Gott und den zwischen Gott und uns armen,
sündhaftigen menschen verordneten mittler Chri-
stum Jesum recht erkennen und also den weg zur
seeligkeit wissen und verstehen, auch Gott in den
namen solches mittlers anrufen und ihme den inner-
lichen, vernümftigen, gaistlichen gottesdienst in
ihren herzen leisten, ein gottseelig leben führen und
durch den glauben an Christum ewig seelig werden
können.
Ebenermaßen sollen sie bei den schulmeistern
und schulfrauen, sonderlich, da die jugent in etwas
erwachsen, uf solchen scopum und finem ultimum
doctrinae catecheticae mit anhaltendem fleiß drin-
Leib und Blut des Herrn verwandelt werden (RE
20, 55-77).
13 Die lutherische Anschauung, daß im Abendmahl in,
mit und unter Brot und Wein des Herrn Leib und
Blut gegenwärtig sind (RE 20, 184f.).
14 Siehe oben S. 269 Anm. 13!
15 Siehe oben S. 274!

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