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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0372
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II 19. Presbyterii-Ordnung, angefangen zu Amberg anno 1615
[7. Aug. 1615].

Wir, Friderich, von Gottes gnaden pfalzgrave bei
Rhein, des heiligen römischen reichs erztruchsäs und
churfürst, herzoge in Baiern etc.,
entbieten allen und jeden unsers chur- und für-
stentumbs der pfalz in obern Baiern kirchenräten,
beamten, inspektoren, pfarrern und andern kirchen-
dienern, auch eltisten unsern gruß, gnad und alles
gutes zuvor und fügen euch zu wissen,
nachdem zum bau und wolstand der christlichen
kirchen nicht gnug, daß die kanzel nach notturft mit
kirchendienern bestellt, das wort Gottes geprediget
und die heiligen sakrament ausgespendet werden,
sondern hierzu auch noch dies gehört und die ehe-
hafte1 not erfordert, das falsche, zwiträchtige lehr
und irrtumb bei lehrern und zuhörern verhütet, die
kirchendiener und zuhörer jeder in seinem beruf
fleißig erhalten, all ärgernus und laster, dadurch der
heilige name Gottes und sein wort gelestert und ge-
schmehet wird, vorkommt2 und abgeschafft, gott-
seligkeit und besserung des lebens, zucht und erbar-
keit gepflanzet werde und daß die glider der christ-
lichen gemeinde alle in einigkeit des glaubens und
brüderlicher lieb zusammenhalten, verleugnen das
ungöttliche wesen in dieser welt zu lob und preis
ihres Vaters im himmel, insonderheit zu rechter und
gottseliger administration und übung der heiligen
sakramenten nicht allein gehöret, daß sie auf solche
weise, wie von Gott verordnet und dazu sie von ihm
seind eingesetzt, gehalten, sondern auch, daß sie
nicht solchen personen gereicht werden, welche er
darzu zu lassen verboten hat, damit nach laut und
inhalt Gottes allein unfehlbaren worts in der kirchen
alles ehrlich und ordentlich zugehe,
solches alles aber nicht besser und füglicher ge-

Druckvorlage: Gleichzeitige amtliche Abschrift in
Dokumentenband (Papier, Folio, 14 Blätter. - Am-
berg StA ORuR 846f. 180-193). - Vgl. oben S. 279!

schehen und erhalten werden kann dann durch die
christliche disciplin und bußzucht; dann selbige
nicht allein und bloß mit worten geschieht, sondern
auch mit der tat vollzogen wird, das ist: so etliche in
der gemein mit gottslästerlicher lehr oder schweren
lastern behaftet wären, daß dieselben zu gevatter-
schaft und zum nachtmal des Herrn nicht zugelassen
werden, bis sie besserung erzeugen, in sonderbarer
betrachtung, daß solche christliche rechtmeßige
bußzucht von dem Herrn Christo selbs seiner gemein
bevohlen, auch von den aposteln und apostolischen
kirchen, wie neben der heiligen schrift die kirchen-
historien bezeugen, recht geübet worden, bis die
tyrannei des antichrists überhand genommen und
diese christliche, wolgemeinte ordnung in mißbrauch
und in unerträglichen mutwillen und greuliche ty-
rannei des päbstischen bannes, damit der pabst und
sein haufe alles unter seine füße geworfen, verkehret
worden, gleichwol aber nicht allein das böse mit
entledigung des tyrannischen päbstischen bannes
ausgerottet und eingerissen, sondern auch das guete
mit anrichtung christlicher disziplin an die statt
hinwider gepflanzet und gebauet werden soll, in-
maßen dann unsere löbliche vorfahren, weiland der
hochgeborene fürst, unser freundlicher, geliebter
uran, herr pfalzgrave Friderich, kurfürst, christ-
lobseligster gedechtnus, guete, nutzliche ordnung
von wegen des bevelchs Christi und der kirchen heil
und notturft in der christlichen gemein durch etliche
fürnehme räte und theologen reif beratschlagen und
aus dem unfehlbaren wort Gottes treulich zusam-
mentragen und verfassen lassen, welche hernach
durch unser freundlichen lieben vettern pfalzgraf
Johann Casimir lobseliger gedächtnus, dann auch
von unserm geliebten und geehrten herrn vatern,

1 = stichhaltig, dringend (Schmeller 1, 580).
2 Ungewöhnliche Perfektform von (etwas) vorkom-
men = etwas verhüten, verhindern (Schmeller 1,
1248. - Grimm 4 I 1, 760ff.).

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