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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0376
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Kuroberpfalz

ärgernusse in der gemeind angerichtet oder aber
sonsten gestrauchelt und die ihnen in geheimb ge-
tane vermahnung nit haben wollen annehmen, sol-
len sie sich miteinander beratschlagen, ob solche per-
sonen offentlich fürzubescheiden oder aber ob ihnen
im namen der eltisten von etlichen aus ihrem mittel
die begangene sünde zu beschweren3 sei.
Halten sie es für ratsamb, das verbrechende per-
sonen offentlich erindert werden, sollen sie dieselbi-
gen durch ihren hierzu bestelten diener uf ein ge-
wissen tag fürbescheiden, und, wann sie erschienen,
ihnen ihr übertretung durch den präsidem zu gemüt
führen und beschweren, sie darvon abzustehen und,
sich durch besserung und abbitten mit Gott und der
kirchen zu versöhnen, vermahnen.
Solche vermahnungen sollen fürnemblich aus
dem wort Gottes geschehen, wie sie zuvor bedacht
seind, und soll der kirchendiener hierinnen wie auch
in allen andern dingen, so für die eltisten gehören,
nichts für sich selbsten, sondern mit rat der zu-
geordneten handlen, auch sich befleißigen, daß er
allwege dem, so vermahnet wird, seine sünde aus
Gottes wort also erclere und für das aug stelle, daß
er in sich selber gehe und zu wahrer reue und besse-
rung gereizet werde.
Es solle auch weder er noch seine miteltisten hier-
innen etwas aus neid, haß, zorn, rachgier, hochmut,
trotz oder andern affecten, sondern alles mit christ-
licher bescheidenheit, mit linde und sanftmut vor-
nehmen, uf daß der, so vermahnet wird, spüren
könne, daß es alles aus christlicher und brüderlicher
liebe und ihme zum besten geschehe und damit sein
besserung wie auch zeitliche und ewige wolfart ge-
sucht werde.
Wann nun der fürgeforderte durch erinnerung,
so ihme alda aus Gottes wort geschehen, so weit ge-
bracht wird, daß er in sich selber gehet, seine sünde
erkennet, reu und leid darüber tregt und besserung
verheist, und aber seine mißhandlung also beschaf-
fen, daß sie keines schärpferen einsehens bedörftig,
sollen eltisten mit solchen personen weiter nichts
fürnehmen, sondern sie im namen Gottes zu haus
gehen lassen mit angehengter warnung, daß sie sich
3 = als Beschwerde vortragen (Grimm 1, 1604).

hinfüro fleißiger für denen ihnen beschwerten sün-
den hüten und wol zusehen, daß sie dem evangelio
würdiglich wandlen.
Wann aber einer ist, der durch offene, grobe sünde
und mißhandlung die ganze gemeind oder den größ-
ten und fürnembsten teil derselben geärgert und
aber Gott der Herr ihme endlich durch seine gnad
und durch die vielfältige erinderung der eltisten sein
herz rühret und besserung verleihet, soll derselbige
sich mit der ganzen gemein, die er geärgert, zu ver-
söhnen vermahnt und angewiesen werden, sintemal
es je billich, weil er sich nicht geschemet, das ärger-
nus zu geben, er sich auch nicht schäme, dasselbe zu
bekennen und umb verzeihung zu bitten.
Wann er sich nun willig erzeugt, könte ihme zu
solcher versöhnung der tag der nechstkommenden
eltistenversamblung ernennt und angesetzt werden
und alsdann etliche aus der gemeinde, sonderlich die-
jenigen, so da geärgert, zu den eltisten erfordert wer-
den, daß sie solche bekantnus und bitt dessen, der
die versöhnung begehrt, mit anhören und verneh-
men möchten. Alsdann soll der bußfertige sünder aus
wahrer reu und leid ohn alle heuchelei als vor dem an-
gesicht Gottes für solcher versamblung, als welche
die ganze kirche repräsentirt, seine sünde, damit er
die gemeine Gottes geärgert, bekennen mit ange-
hengter demütiger bitt, sie wollen ihm das gegeben
ärgernus brüderlich verzeihen, auch Gott neben ihm
umb verzeihung solcher und anderer seiner sünde
und mißhandlung helfen anrufen. Es könte auch
solcher nochmals, wofern er es begehren und die
eltisten für ratsamb achten wurden, durch den kir-
chendiener der ganzen gemeind angekündet und zu
rechter und wahrer versöhnung und fürbitt für den
bußfertigen sünder vermahnet werden.
Was die offentliche fürstellung anlangt, deswegen
zuvor schon ein form und mandata in druck ge-
geben4, weil es ganz ein politisch werk ist und hieher
nicht gehört, wollen wir uns in denselben zu schlie-
ßen und zu bevehlen vorbehalten haben.
Im fall aber einer alle vermahnung mutwillig und
halsstarrig verachtet und in lastern verharren wurde,
4 Gemeint ist die Prangerstrafe. Das hier gemeinte
Mandat konnte noch nicht gefunden werden.

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