Predigern wird volle Lehrfreiheit in Wort und Schrift zugesichert. Doch wird bei Druckwerken zuerst
Vorlage beim Rat verlangt. Zum Schluß wird die Versorgung der Gattin des Gallus bei seinem Tod ge-
regelt.
Der andere Teil ist eine Verordnung und trifft genaue Bestimmungen über die Art und Weise, wie
gegen in Kirchenzucht genommene Gemeindeglieder bei der Beerdigung verfahren werden soll. In
Zweifelsfällen konnte die Entscheidung des Rats eingeholt werden. Mitteilung mußte diesem auf alle Fälle
gemacht werden.
Von solchem Ernst der Zucht zeugt auch die Wiederholung der Mandate gegen öffentliche Laster,
wie sie etwa 1560 und 1562 erfolgte23. Dabei standen nicht eigentlich Ehre und Schutz der Gemeinde im
Vordergrund, sondern das Seelenheil des sündigenden Gemeindegliedes. Deshalb wurden auch nicht
öffentlich ärgerniserregende Vorkommnisse behandelt - natürlich in nichtöffentlicher Weise.
Ein zur Handhabung der Kirchenzucht eingesetztes Kollegium - der Kreis der Censores - bleibt
unklar24. Da schon die Zuständigkeit gegenüber dem Konsistorium nicht eindeutig war, scheint es rasch
in jenem aufgegangen zu sein, wie ja schon gleich ,,Consistorium oder Censores“ in einem Atemzug ge-
nannt wurden. Möglicherweise bestanden beide Körperschaften ganz oder teilweise aus den gleichen Per-
sonen, die dann nur bald in dieser, bald in jener Eigenschaft handelten.
Die evangelische Bevölkerung der Stadt kam mit ihrer kleinen Neupfarrkirche und der kaum grö-
ßeren Oswaldkirche einfach nicht aus. So übernahm die Stadt am 16. Mai 1563 gewaltsam wieder die
Dominikanerkirche zum Mitgebrauch. 1568 wurde ein diesbezüglicher Vertrag mit dem Kloster abge-
schlossen. Die evangelische Gemeinde benützte das Schiff; die Mönche behielten den Chor. Die Stadt über-
nahm dabei die Baulast25.
Zu dieser Zeit muß auch die große Kirchenordnung des Nikolaus Gallus abgefaßt und eingeführt
worden sein26. Sie stellt freilich allerlei Fragen.
Zunächst einmal liegt uns die Ordnung nur in einem vom Verfasser viel korrigierten Entwurf vor.
Für ihre erste Hälfte gibt es noch eine Abschrift, die die Korrekturen berücksichtigt hat. Sie trägt Rand-
bemerkungen - meist Abschnittsüberschriften -, die von Hiltners Hand stammen sollen. Es kann aber
gar kein Zweifel daran bestehen, daß diese Ordnung tatsächlich auch rechtlich verabschiedet und in Ge-
brauch genommen wurde. Näheres darüber ist bisher aber unbekannt.
Sogar die Zeit, in der das geschehen sein muß, ist fraglich. Daß sie frühestens im Herbst 1555 ge-
schaffen wurde, geht daraus hervor, daß sie ausführlich den erst damals fertiggestellten Altar Michael
Ostendorfers beschreibt27. Man möchte sie gerne in der Kirchenordnung sehen, die in der Kirchenregi-
mentsordnung unter den Zeremonien genannt wird28. Dort kann allerdings - und wird wohl auch - die
des Jonas gemeint sein. Auch kann - möchte man meinen - nicht über das Frühjahr 1563 heraufgegan-
gen werden, weil damals die Dominikanerkirche in Gebrauch genommen wurde, die Kirchenordnung von
ihr aber noch schweigt29. Umgekehrt wird man aber zu einem späteren Ansatz dadurch veranlaßt, daß
das Monotessaron30 Bugenhagens31 zweimal erwähnt wird32. Dieses erschien aber erstmals 1566. Es
23 Schottenloher, Buchgewerbe Nr. 171. 186.
24 Gallus Piiij. — Siehe unten S. 384! — S. 444 wird z.B. den Consistoriales zugewiesen, was man als eigenste
Aufgabe der Censores betrachten müßte. - Vgl. S. 383, 384!
25 Siehe oben S. 368! — Gumpelzheimer 902. 931. 942. — Dollinger, Evangelium 250f.
26 Unsere Nr. III 19! 27 Siehe unten S. 481 f.!
28 Siehe unten S. 442! 29 Sie müßte z.B. vor allem S. 459f. erwähnt werden.
30 Von μονος ( = einzig) und τεσσαρες ( = vier). Zusammenfassung der vier Evangelien zu einer einheitlichen
Lebensgeschichte des Herrn, eine Evangelienharmonie.
31 Johannes Bugenhagen, nach seiner Herhunft aus Wollin in Pommern Pomeranus genannt, ist der Organisator vor
allem der niedersächsischen Kirchen († 1558) (RE 3, 525-532. — NDB 3, 8ff.).
32 Siehe unten S. 476 und 478! - In den Änderungen des Gallus in der Kirchenordnung des J. Jonas steht das nicht.
380
Vorlage beim Rat verlangt. Zum Schluß wird die Versorgung der Gattin des Gallus bei seinem Tod ge-
regelt.
Der andere Teil ist eine Verordnung und trifft genaue Bestimmungen über die Art und Weise, wie
gegen in Kirchenzucht genommene Gemeindeglieder bei der Beerdigung verfahren werden soll. In
Zweifelsfällen konnte die Entscheidung des Rats eingeholt werden. Mitteilung mußte diesem auf alle Fälle
gemacht werden.
Von solchem Ernst der Zucht zeugt auch die Wiederholung der Mandate gegen öffentliche Laster,
wie sie etwa 1560 und 1562 erfolgte23. Dabei standen nicht eigentlich Ehre und Schutz der Gemeinde im
Vordergrund, sondern das Seelenheil des sündigenden Gemeindegliedes. Deshalb wurden auch nicht
öffentlich ärgerniserregende Vorkommnisse behandelt - natürlich in nichtöffentlicher Weise.
Ein zur Handhabung der Kirchenzucht eingesetztes Kollegium - der Kreis der Censores - bleibt
unklar24. Da schon die Zuständigkeit gegenüber dem Konsistorium nicht eindeutig war, scheint es rasch
in jenem aufgegangen zu sein, wie ja schon gleich ,,Consistorium oder Censores“ in einem Atemzug ge-
nannt wurden. Möglicherweise bestanden beide Körperschaften ganz oder teilweise aus den gleichen Per-
sonen, die dann nur bald in dieser, bald in jener Eigenschaft handelten.
Die evangelische Bevölkerung der Stadt kam mit ihrer kleinen Neupfarrkirche und der kaum grö-
ßeren Oswaldkirche einfach nicht aus. So übernahm die Stadt am 16. Mai 1563 gewaltsam wieder die
Dominikanerkirche zum Mitgebrauch. 1568 wurde ein diesbezüglicher Vertrag mit dem Kloster abge-
schlossen. Die evangelische Gemeinde benützte das Schiff; die Mönche behielten den Chor. Die Stadt über-
nahm dabei die Baulast25.
Zu dieser Zeit muß auch die große Kirchenordnung des Nikolaus Gallus abgefaßt und eingeführt
worden sein26. Sie stellt freilich allerlei Fragen.
Zunächst einmal liegt uns die Ordnung nur in einem vom Verfasser viel korrigierten Entwurf vor.
Für ihre erste Hälfte gibt es noch eine Abschrift, die die Korrekturen berücksichtigt hat. Sie trägt Rand-
bemerkungen - meist Abschnittsüberschriften -, die von Hiltners Hand stammen sollen. Es kann aber
gar kein Zweifel daran bestehen, daß diese Ordnung tatsächlich auch rechtlich verabschiedet und in Ge-
brauch genommen wurde. Näheres darüber ist bisher aber unbekannt.
Sogar die Zeit, in der das geschehen sein muß, ist fraglich. Daß sie frühestens im Herbst 1555 ge-
schaffen wurde, geht daraus hervor, daß sie ausführlich den erst damals fertiggestellten Altar Michael
Ostendorfers beschreibt27. Man möchte sie gerne in der Kirchenordnung sehen, die in der Kirchenregi-
mentsordnung unter den Zeremonien genannt wird28. Dort kann allerdings - und wird wohl auch - die
des Jonas gemeint sein. Auch kann - möchte man meinen - nicht über das Frühjahr 1563 heraufgegan-
gen werden, weil damals die Dominikanerkirche in Gebrauch genommen wurde, die Kirchenordnung von
ihr aber noch schweigt29. Umgekehrt wird man aber zu einem späteren Ansatz dadurch veranlaßt, daß
das Monotessaron30 Bugenhagens31 zweimal erwähnt wird32. Dieses erschien aber erstmals 1566. Es
23 Schottenloher, Buchgewerbe Nr. 171. 186.
24 Gallus Piiij. — Siehe unten S. 384! — S. 444 wird z.B. den Consistoriales zugewiesen, was man als eigenste
Aufgabe der Censores betrachten müßte. - Vgl. S. 383, 384!
25 Siehe oben S. 368! — Gumpelzheimer 902. 931. 942. — Dollinger, Evangelium 250f.
26 Unsere Nr. III 19! 27 Siehe unten S. 481 f.!
28 Siehe unten S. 442! 29 Sie müßte z.B. vor allem S. 459f. erwähnt werden.
30 Von μονος ( = einzig) und τεσσαρες ( = vier). Zusammenfassung der vier Evangelien zu einer einheitlichen
Lebensgeschichte des Herrn, eine Evangelienharmonie.
31 Johannes Bugenhagen, nach seiner Herhunft aus Wollin in Pommern Pomeranus genannt, ist der Organisator vor
allem der niedersächsischen Kirchen († 1558) (RE 3, 525-532. — NDB 3, 8ff.).
32 Siehe unten S. 476 und 478! - In den Änderungen des Gallus in der Kirchenordnung des J. Jonas steht das nicht.
380