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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0507
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III 19 Kirchenordnung (von 1567?)

gar wenig vorgegebener geistlicher güter unter so-
viel reicher stiftung in dieser ihrer stat hat, kirchen
und schulen zuvorderst allein aus ihrer cammer
notturftiglich unterhelt.
Mit dem almosen für die armen sind alhie noch
alte stiftung44 vorhanden, fein unterschiedlich für
mannen und für weiber, welche zu geben haben und
nit zu geben haben45, für alte und für junge, für
knaben, die zu studieren tüchtig sind und nit haben,
und für arme jungfrauen auszuheiraten, für alte,
verarmte bürger und bürgerinnen usw. Und hat ein
erbar rat noch neue, sondere verordnung46 getan mit
armen, verjagten priestern und andern christen oder
dergleichen, ihnen zu weiterfordernis handreichung
zu tun, auch mit ihren eigen kirchendienern, das sie
ihrer dienste in ihrem alter oder unvermögen, auch
nach ihrem absterben ihre witwen und waisen, ziem-
lichermaßen noch zu genießen haben; so wird mit
allen diesen ämptern ordnung gehalten, gebürliche
rechnung gegeben und genomen.
Von den schulen.
Zur christlichen kirchen ist allzeit auch christ-
licher schulen von nöten, nit allein gegenwertig, son-
dern auch auf künftig, alda leut zum ampt des worts
zu erziehen, auch zu andern, notwendigen, ehrlichen
ämptern und werken und die jugent bald auf die
furcht Gottes und auf zucht zu gewohnen.
Demnach ein ehrbar rat neben ihrer christlichen
neuen pfarrkirchen zugleich auch ihre lateinische
schule angefangen47, die jugent mit von den bapsti-
schen abgöttereien auch alhie abzuführen, würden
diese und die andern deudschen schulen billich auch
von kirchengütern unterhalten. Weil aber ein ehr-
bar rat deren keine oder wenig hat, lassen sie sichs
auch aus ihrer cammer, wie obgehört, gleich wie mit
der kirchen alles kosten.

44 Das Brüderhaus aus dem 15. Jahrhundert (v. Wal-
derdorff 442) und das Frauenstift zu St. Oswald
aus dem 14. Jahrhundert (aaO. 447f.).
45 = zahlen können oder nicht können.

Die lateinische schul ist dermaßen bestelt mit ih-
rer weiten und darzu wolbereiten, gelegenen wonung,
das darin sind der praeceptoren und der jungen vier
unterschiedene classes, jede in ihrem eigen, gerau-
men gemach oder stuben, fein nacheinander, und ein
jede classis also ihren eigen preaceptor hat, der ihrer
allein wartet; die erst den rectorem als obersten, der
auf die andere praeceptores und classes und auf das
ganz corpus scholae daneben zu sehen hat; die ander
classis hat den secundum, ein magistrum oder sonst
gelerten, tapfern gesellen; die dritt hat den tertium,
darf mit dem andern gleich gelert sein, daneben
ehrbar, treu und vleißig; viert und lezt classis hat
den cantorem, für die geringern knaben und alle
classes sampt der kirchen mit der musica zu ver-
sehen.
Haben ordentlich vormittage 2 stunden und nach-
mittage 3 stunden, davon alle sämptlich ihre zim-
liche, ehrliche unterhaltung und wonungen in der
schule, außer dem cantore, welcher als zum mehrer
teil ehrlich sein nebenwonung außen hat.
Weil auch der auswerdigen knaben, edel und un-
edel, sampt etlichen von der burgerschaft ein zim-
liche anzal ist, welche neben der gemeinen disciplin
auch privatam disciplinam begeren und dieselbig
aus fürfallenden ursachen allein dem rectori werde
zugelassen, so sind darzu auch zimliche wonungen,
bei tag und nacht auf der schulen zu bleiben, ihre
studia und lager darauf vergebens48 zu haben, zu-
bereitet.
Disciplingeld, was von den privatis und andern
auswendigen und einwonenden ordentlich zu for-
dern, hat auch sein benents49, darüber niemand sol
beschwert werden.
Mit der kost, damit der rector durch große haus-
haltung nit an seinem ampt verhindert werde, wird
ihm, ein anzal kleiner, junger knaben an seinem
tisch zu nemen, vergünstigt. Der andern mag ein
jeder die seinen, wo er am bequemsten weis, bei der
burgerschaft unterbringen. Doch hat ein erbar rat

46 Diese Verordnung ist vorläufig noch nicht gefunden.
47 Siehe oben S. 386!
48 = umsonst, unentgeltlich (Schmeller 1, 866).
49 = hat sein Benanntes = ist genau festgesetzt.

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