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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0545
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unterstrich er die Augsburgische Konfession als Grundlage seines Kirchenwesens, und ebenso deutlich
wollte er dieses auf die Grenze seines Hoheitsgebietes eingeschränkt halten.
Sogleich machte Graf Joachim verschiedenen evangelischen Fürsten und Gelehrten sowie dem evan-
gelischen Adel Baierns Mitteilung von seinem Schritt.
Die bei diesen Gottesdiensten gebrauchte Ordnung wollte der Graf durch den Druck veröffentlichen.
Aus unbekannten Gründen unterblieb das dann aber9. Wir kennen sie aus einem Bericht des nächsten
ortenburgischen Pfarrers Rorer, der sie zu seiner Verteidigung zusammenstellte und 1565 veröffent-
lichte10. Die Schrift trägt den Titel: Wahrhafter und grundlicher bericht, wie und welchermaßen die
Communicanten in der Grafschaft Ortenburg examiniert, unterrichtet, geleret und getröstet worden, biß
doch beide Prediger und Zuhörer zum höchsten hieruber verfolgt sind. Lauingen, durch Emanuel Salzer.
1565. Daraus11 ergibt sich, daß Cölestin zunächst das Agendbüchlein Veit Dietrichs benützte, dabei aber
unter dem Einfluß der Württemberger ( = pfalz-neuburgischen) Kirchenordnung wertvolle Änderungen
vornahm. Er teilte vor allem die bei Dietrich am Anfang stehende Gebetsvermahnung in eine Eingangs-
kollekte und in ein allgemeines Fürbittgebet nach der Predigt, wofür er das entsprechende Gebet der
württembergischen Kirchenordnung von 1553 verwendete. Außerdem führte er statt der von Dietrich
eingeführten fortlaufenden Schriftlesungen wieder die alte Perikopenordnung ein. Dem Katechismus
fügte er Luthers Haustafel an, und schließlich schob er zwischen Predigt und Abendmahlsfeier ein Lied
ein.
Der Geistliche amtete im weißen Chorrock - also nicht im Meßgewand, wie ja auch das Agendbüch-
lein beides (Chorrock und Meßgewand) nur als tragbar, aber nicht als nötig bezeichnet hatte12 - und trug
ein ,,samtenes spitzes Häubl und darüber ein spanisches Barett“13.
In welcher Weise Taufen, Trauungen und Beerdigungen vorgenommen wurden, läßt sich nicht
sagen.
So groß die Freude der Evangelischen war, so groß war die Empörung Herzog Albrechts. Es hätte
nicht erst der Aufforderung des Bischofs von Passau zum Einschreiten bedurft. Er lud Joachim sofort
ohne Angabe eines Grundes vor. Joachim erschien, verwahrte sich aber gegen jeden Eingriff in seine
Rechte. Zum Zeichen seiner Landeshoheit ließ Albrecht am 31. Dez. 1563 Alt-Ortenburg öffnen und, ob-
wohl in der Zwischenzeit in München eine Einstweilige Verfügung des Reichskammergerichts eingetrof-
fen war, am 12. Jan. 1564 auch Neu-Ortenburg. In diesen Tagen ließ bald Cölestin aus Angst vor
Gefangennahme den Gottesdienst ausfallen, bald flüchtete die baierische Schloßbesatzung vor den in
Mengen anströmenden Gottesdienstbesuchern aus Baiern. Am 8. Januar wollten gleich 60 Untertanen
des Herzogs den Kelch. Sie wichen nicht, bis ihn Cölestin, der sich zuerst der grundsätzlichen Anordnung
des Grafen entsprechend geweigert hatte, ihnen am andern Morgen doch reichte. Da die Marktkirche sich
als zu klein erwies, übergab Graf Joachim am 23. Januar die Pfarrkirche in Steinkirchen dem evan-
gelischen Gottesdienst. Ja, er berief sogar noch einen zweiten evangelischen Geistlichen. Der katholische
Gottesdienst in Holzkirchen blieb mit Rücksicht auf die zur Pfarrei gehörigen baierischen Untertanen
unberührt.
Jetzt griff Herzog Albrecht zur letzten Gewalt. Am 25. Febr. 1564 ließ er beide evangelischen Geist-
lichen im Pfarrhaus gefangennehmen. Unter der Drohung, sie bei einer erneuten Verhaftung hängen zu
lassen, ließ er sie schwören, das Land hinfort zu meiden, und dann außer Landes bringen.

9 Theobald, Einführung 73.
10 Theobald, Einführung 102f.
11 Unsere Nr. IV 2.
12 Sehling 11, 549.
13 Theobald, Einführung 40.

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