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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0563
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In schroffem Gegensatz zu dieser selbstbewußten, freien Haltung der Rothenberger Geistlichkeit steht
nun ein Vorkommnis in eben diesem gleichen Jahre 1618. Im Herbst dieses Jahres ließ der damalige
Burggraf Johann Sebastian von Rothenhan die weitere Verwendung von Chorröcken und Altarkerzen ver-
bieten, ja sie teilweise gewaltsam wegnehmen31. Die Geistlichen scheinen mit dieser Maßnahme alle ein-
verstanden gewesen zu sein. Aber unter den Gemeinden kam es zu starker Beunruhigung. In Dehnberg
ließ man den Geistlichen von Neunkirchen, der diese Tochterkirche betreute, erst wieder in sie, als er mit
dem Chorrock erschien32. Besonders benachbarte Kirchengebiete, die davon berührt wurden, verwahrten
sich gegen solche Veränderungen. Nürnberg, das eben erst vor ein paar Jahren einen ernsten Streit um
die Kirchenhoheit in Ottensoos mit den Ganerben geführt hatte33, wehrte sich nachdrücklich. Es verlangte
von seinem Patronatspfarrer in Ottensoos die Beibehaltung des Chorrockes. Als er gehorchte, nahm ihn
Ende November 1618 der Burggraf gefangen. 16 Wochen lang - bis zum 19. März 1619 - mußte er auf
dem Rothenberg liegen. Den nürnbergischen Untertanen in Ottensoos, die weitaus den größten Teil aus-
machten, wurde der Besuch eines in neuer Form gehaltenen Gottesdienstes verboten34. Ihren Kirchenort
St. Helena-Großengsee trennte die Reichsstadt von Bühl ab und teilte ihn ihrer Pfarrei Hiltpoltstein zu35.
Brandenburg-Bayreuth verselbständigte aus Bühl den Kirchort Osternohe36 und gab aus der gleichen
Pfarrei Riegelstein mit Umgebung zu Plech37. Ebenso lösten die Herren von Bünau ihre Kirche Forth
aus der Pfarrei Kirchröttenbach, um sie in Zukunft durch Eschenau betreuen zu lassen38.
Die Hintergründe und Ursachen dieser kultischen Neuerung sind unbekannt. Man bezeichnet die
Maßnahme als Kalvinisierung39, und es ist durchaus verständlich, wenn man das damals tat, wo man
so rasch fertig war mit der Verteilung von Ketzerhüten. Es besteht auch kein Zweifel darüber, daß die
Maßnahme in dieser Richtung lief und so die an sich vorhandene Bewegung fortsetzte. Aber die Chor-
röcke hatte Veit Dietrichs Agendbüchlein schon nur für tragbar, aber nicht für nötig erklärt40. Die pfalz-
neuburgischen Superintendenten hatten sie schon 1557 weggewünscht41, und auch die lutherische Kir-
chenordnung des Kurfürsten Ludwig von 1577 hatte sie nicht wieder eingeführt 42, und Altarkerzen hatten
aus ihrer schweizerischen Beeinflussung in der reformatorischen Frühzeit nicht nur die späteren kal-
vinischen Kirchen, sondern auch lutherische, wie etwa Württemberg, die Kirche eines der Väter der

31 Schütz, Ganerbschaft 75; Kirchen 24, 85-89. — Leider steht der genaue Zeitpunkt dieserMaßnahme nicht fest. Sie wird
aber wahrscheinlicher erst nach der Zusammenstellung der Kirchenordnung (Sept. 1618) erfolgt sein als vorher. Zu-
nächst ist in dieser keinerlei Auswirkung dieses Eingriffes und der dadurch ausgelösten Unruhen zu vermerken.
Sodann waren diese Unruhen kaum die geeignete Zeit für eine solche Beratung und Zusammenfassung. Ferner war
dabei der Pfarrer von Neunkirchen, der sich in Dehnberg fügen mußte, beteiligt. Pfarrer Bauter starb aber am
29. Aug. 1618. Sein Nachfolger Josua Stengel wurde erst im November installiert (NStA. Rothenberger Akten
[Rep. 206a] Nr. 2659). Schließlich wurde Pfarrer Ernst in Ottensoos erst Ende November gefangengesetzt.
32 NStA S I L 412 Nr. 26b. - Schnelbögl 138.
33 Andr.Würfel, Diptycha ecclesiarum in oppidis et pagis Norimbergensium. Nürnberg 1759. 429f. — NStA Rep.
206a (Rothenberger Akten) Nr. 825.
34 NSt A Rep. 206a (Rothenberger Akten) Nr. 722. 724. 825. —Würfel (= 31) 430f. - Schütz, Kirchen 24, 85. —
NLA Markgräfliches Konsistorium Ansbach) 845 (Schönberg) Prod. 122-127.
35 Simon, Atlas 339. — Daß schon damals auch Dehnberg mit Umgebung von Neunkirchen gelöst und Lauf zugewie-
sen wurde (Schütz, Kirchen 24, 88), stimmt nicht. Nach NStA S I L 412 Nr. 26b hat sich vielmehr der Pfarrer
von Neunkirchen dem Widerstand dieser Gemeinde gefügt, so daß er dann Dehnberg bis zur Gegenreformation be-
treuen konnte.
36 Simon, Atlas 511f.; BPfB 451. — Friedr. Pröll, Geschichte des ... Amtes Osternohe und der dortigen Kirchen.
Ansbach 1903, 81ff. — Schütz, Kirchen 65—70.
37 Ernst Knoth, Aus Riegelsteins vergangenen Tagen, in: Evang. Kirchenbote Pegnitz 1931, 49ff.
38 Simon, Atlas 291.
39 Schütz, Ganerbschaft 75f.; Kirchen 24, 85-89. - Schnelbögl 138f.
40 Sehling 11, 549.
41 Siehe oben S. 31!
42 Siehe oben S. 269!

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