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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0573
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V 2 Vereinigung, wie es mit den kirchenactibus soll gehalten werden, von 1618

Auslegung.
In diesen worten beschreibet Hiob das arme,
elende wesen des menschen und teilet es in drei
stück, in den anfang, fortgang und ausgang, das ist:
in die geburt, leben und sterben. Die geburt ist er-
bermlich, das leben geferlich, der tod schrecklich.
Das wollen wir sehen.
Zum ersten: Der mensch wird in sunden empfan-
gen und geboren, wie David im 51. Psalm [7]:
klaget: ,,Sihe ich bin aus sündlichem samen ge-
zeuget, und meine mutter hat mich in sünden emp-
fangen.“ So kompt er nacket und bloß an die welt,
wie Hiob am 1. cap. [21] sagt: ,,Ich bin nackent
von meiner mutter leib kommen; nackent werde
ich wider dahin fahren“, und, sobald der mensch
diese betrübte welt berürt, hebt er erbermlich zu
weinen [an] und schreiet über den fall Adam und
Heva und ist jamer und not da, wie das buch der
Weisheit in der person des königes Salomon am
7. cap. [3f.] sagt: ,,Ich hab auch, da ich geboren
ward, odem geholet aus der gemeinen luft und bin
auch gefallen aufs erderich, das uns alle gleich tregt,
nnd weinen ist auch gleich wie der andern meine
erste stim gewest und bin in den windelein auferzo-
gen mit sorgen.“ Denn es hat kein könig ein andern
anfang seiner geburt, sondern sie haben alle einerlei
eingang in das leben und gleichen ausgang. Andere
creaturn, als die vögel in der luft, die fisch im wasser
und die tier auf der erden, wann sie ans licht kom-
men, laufen sie dahin. Allein der mensch muß ein
lange zeit seine wartung haben und, wo er die nicht
hat und man seiner nicht aufs beste wart und pflegt,
so muß er verderben und das leben lassen.
Zum andern: Der mensch, so er erwechst und zu
seinen jahren kompt, erregen sich so balden in ihm
die böse lust und begierde des alten Adams, des sun-
digen fleisches, und je elter der mensch wird, auch in
den jaren zunimbt, je heftiger ihn die sünd anfech-
ten: denn das menschlich herz ist in dieser welt wie
ein schiff auf dem wilden meer, das die bulgen13 und
sturmwinde von den vier orten der welt treiben.
Hier ist forcht von zukunftigen unfall, dort hoffnung
von zukunftigen glück. Hie bläset in an hoffart dort

a in derVorlage steht hier noch ein überflüssiges ,,und“.

geiz, hie unzucht, dort haß und neid etc. Und solche
sturmwinde hören nicht auf, dieweil der mensch hie
auf erden lebt. Darzu ist des menschen leib mehr
dann 300 krankheiten unterworfen ohn andere zu-
fellige angst und trübsal, hunger, durst, hitz und
frost, sorg und bekummernus, die alle sampt fleisch
und blut, glieder und glenk, ja mark und bein durch-
dringen, schwach, matt und kraftlos machen, end-
lich leib und seel voneinander scheiden und den
bitteren tod bringen, das S. Paulus wol mag sagen
Rom. 7. cap. [24] ,,Ich elender mensch, wer wird
mich erlösen von dem leib dieses tods?“ und Syrach
am 40. cap. [1ff.]: ,,Es ist ein elend, jämerlich ding
umb aller menschen leben von mutterleib an, bis sie
in die erden begraben werden, die unser aller mutter
ist. Da ist immer sorg, furcht, hoffnung und zuletzt
der tod. Da ist immer zorn, eiver, widerwertigkeit,
unfrid und todesfahr, neid und zank. Solches wider-
fehret allem fleisch, beide menschen und viehe, aber
den gottlosen sibenmal mehr.“
Zum dritten: Der mensch weiß sein ende nicht.
Wir sind in diser welt, in des Teufels reich, in einem
solchen gasthof, da der wirt ein schalk, ein dieb, ein
reuber und mörder ist, und, weil wir in solchem wirts-
haus essen, trinken, ruhen und schlafen, so müssen
wir auch endlich bezalen. Diser wirt aber gibt kein
anclerer speis dann pestilenz, fieber und andere
krankheit, schenkt auch kein andere getränke den
eitel gift und tod. Solcher speis und trank müssen
wir in diser herberg warten. Da wird nicht anders
aus. Dieweil den nun unser leben ein so unbestendig,
ungewiß ding ist und henkt alle augenblick wie an
einem seidenfaden und wissen nicht, wie lang wir es
haben und womit wir es enden werden, und der Teu-
fel in der letzten stund auch dahersturmen wird
mit den greulichen bilden ader sunden, des todes
und der hellen, so grauet einem jeden für dem tod,
und alle menschen halten den tod für ein greulich,
erschröcklich ding.
Aber unser lieber Gott hat uns armen, elenden
menschen für alle drei stück reichen trost gegeben;
denn nach der ersten sundlichen geburt leßt er uns
baden und neugeboren werden in der tauf. Da reini-
13 Bulge = Wasserwoge, Wasserschwall (Grimm 2,
51 1f.).

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