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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0575
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V 2 Vereinigung, wie es mit den kirchenactibus soll gehalten werden, von 1618

bekummern und betrüben, sondern Gott dem all-
mechtigen vielmehr danken, daß er unter zweien
das beste ersehen hat und die unschuldige seele un-
sers mitbruderleins (mitschwesterleins) aus diser
bösen verderbten welt so gnediglich hat hingeruckt
und zu seinen gnaden in sein ewiges reich genommen,
welches wir ihm auch von herzen wünschen und Gott
bitten, er wölle uns auch gnedig sein und die mittel
verleihen, daß wir auch in einem bestendigen glau-
ben beharren bis ans ende und mit Christo teil haben
in seinem reich im ewigen leben. Amen.
Actus VII.
Von den ungetauften kindlein.
Dieweil wir evangelische christen aus Gottes wort
unterrichtet sein, daß der christen kindlein, so die
h[eilige] tauf nicht haben kennen, nicht verdampt
sein noch ihre seelen in einen limbum oder beson-
dern ort, da ihnen weder wol noch wehe ist14, kom-
men, wie man im babstum lehret, sondern auch selig
werden, wie die kneblein im alten testament, so den
achten tag nicht erlebt und die beschneidung nicht
haben kennen, selig worden sind, so sollen die, nach-
dem sie das leben in mutterleib bekommen und her-
nacher dasselbe entweder vor der rechten geburts-
zeit oder in der schmerzlichen geburt lassen müssen
und tod uf die welt kommen, auch mit gewöhnlicher
ceremonien wie die getauften zur erden bestattet
und den anwesenten personen wie auch den betrüb-
ten eltern zur lehr und trost eine solche vermanung
fürgelesen werden.
Admonitio oder vermanung
bei begräbnus eines ungetauften kinds.
Ihr geliebte in dem Herrn! Wir bringen jetzo an-
hero zu seinem ruhebettlein ein kindlein, welches
(in mutterleib oder: in der schmerzlichen geburt)
sein leben lassen müssen und also die h[eilige] tauf
nicht empfangen. Dieweil aber oftmals einfeltige
leut an solcher kindlein seligkeit zweifeln [Rand:

14 im limbus puerorum (LThK 62 1057ff.).
15 jag tauf = jähe Taufe (siehe oben S. 49 ff.!).
Gerade auch das Agendbüchlein Veit Dietrichs
(Sehling 11, 506ff.) hatte sie beibehalten, und die

Wie dann umb solches zweifels willen bei etlich
evangelischen kirchen der aus dem papstum her-
kummene schädliche mißbrauch der not- oder jag-
tauf15 gebliben], so wollen wir solchen zum unter-
richt, allen betrübten eltern aber zum trost einen
gewisen bericht aus Gottes wort anhören und ver-
nemen, was es für eine gelegenheit mit den unge-
tauften kindlein habe und wie sich christliche eltern
in solchen fall trösten können. [Rand: Damit sie von
der unnotwendigen jagtauf unbekümmert bleiben,
auch solche billich förderhin von den hebammen
unterlassen und hingegen der tod solcher ongetauf-
ten kindlein den predigern wißlich gemacht und sie
wie ander christen mit gebürlichen ceremonien mö-
gen begraben werden.]
Was nun die kindlein belanget, welche den h[eili-
gen] tauf nicht teilhaftig werden, so ists an dem, das
Gott die tauf teur eingebunden als einen edlen
schatz, das wir sie nicht verachten oder aufschieben,
wie oft eltern gefunden werden, welche sie etliche
tag oder wochen aufschieben, daß sie ihres prangens
und hoffarts desto besser pflegen kennen, oder wie
etliche bestiae fürsetzlich tun und den kindern das
leben verkurzen, das sie der tauf nicht sollen teil-
haftig werden. Solche werden ein schwer urteil emp-
fahen. Aber weil sich bisweilen mancherlei fäll mit
den weibern zutragen, als das sie oft schwachheit
halben die geburt nicht lenger tragen können, son-
dern müssen sie vor der zeit von sich geben. Oft tut
eine unversehens einen schweren fall, dadurch die
leibesfrucht verletzt wird. Oft schaffets Gott also,
daß die schmerzen dermaßen schwerer werden, daß
sie drüber stirbt. In solchen und dergleichen fällen
sollen christliche matronen wissen, daß wenn die
eltern zuvor durchs gebet sich und die leibes frucht
dem Sohn Gottes vorgetragen, kein zweifel sei, ob-
schon die kindlein nicht getauft, daß sie doch drumb
nicht verdampt sind. Im babstumb hat man fürge-
ben, sie seien an einem sonderlichen ort zwischen dem
limbo patrum, da die erzväter sind, und zwischen
dem fegfeur, welchen ort sie nennen den limbum
markgräfliche Kirchenordnung fügte in ihrer Aus-
gabe von 1591 einen Abschnitt für die Bestätigung
von Nottaufen ein (Sehling 11, 180f.).

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