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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0576
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Herrschaft Rothenberg

infantium, und sagen, es sei ihnen weder wol noch
wehe da. Dis sind heidnische gedicht. Wir christen
wissen, Gott lob und dank, das im notfall die kinder
der glaub[ig]en christen, durch das gebet fromer
eltern und der christlichen kirchen in mutterleib
von dem H[eiligen] Geist geheiliget, gerecht und
selig werden, ob sie wol nach Gottes heimlichen und
verborgenem rat der h[eiligen] tauf nicht teilhaftig
werden, und solches aus folgenten grunden:
1. haben wir Gottes helles, klares wort; den so
sprüchet Gott Gen. 17 [7]: ,,Ich will dein Gott sein
und deines samens nach dir“. Damit bezeuget er,
daß er auch des samens Gott, das ist: der kinder, so
noch im mutterleib sind, ihr Gott sei.
2. bezeugets der artikel unsers christlichen glau-
bens, darinnen wir bekennen, daß Christus Jesus
umb der kleinen kindlein willen ein kleines kindlein
worden, doch ohne sünde empfangen und geboren,
damit er unser unreine und sündliche empfangnis
geheiliget.
3. hat Gott geordnet und will haben, daß wir be-
ten, hat auch verheißen, daß [wir] alles, was wir bit-
ten werden, empfahen sollen. Nun haben wir aus-
truklichen befehl, daß wir die kinder zu ihme brin-
gen, Marc. 10. cap. [14]: ,,Lasset etc.“. Darumb ist
kein zweifel, wenn eine christliche mutter durch ein
glaubiges Vaterunser oder durch seufzen, welche in
solchen nöten sonderlich inbrünstig sind, ihr kind-
lein dem Herren Christo zutregt, daß sie gewiß und
übergewiß erhöret sei.
4. stehet in der tauf: ,,Wer da glaubet und getauft
würd, der soll selig werden. Wer aber nicht glaubet,
soll verdampt werden.“ Es spricht Christus nicht in
einsetzung der tauf :Wer nicht getauft wird, soll ver-
dampt werden, sondern: Wer nicht glaubt. Über
dise wort schreibt Bernhardus16 ad Hugonem17:
Christus habe damit auf den notfall der ungetauften
kindlein gesehen und sie nicht wollen verdammen,
wenn sie durchs gebet ihme fürgetragen werden.18

16 von Clairvaux, † 1135 (RE 2, 623-638. - LThK 22,
39-242. - RGG 13, 1067).
17 Hugo von St. Victor in Paris, † 1141. Begründer der
mystischen Theologie des Mittelalters (RE 8, 436
bis 445. - LThK 5, 518f. - RGG 33, 475).

Das aber auch die kindlein im mutterleib den
glauben kennen erlangen, bezeuget das exempel
Johannis des taufers, welcher unter seiner mutter
herzen den glauben bekommen und Christum als
den waren Messiam und Heiland der welt erkant,
wie er denn solches ein zeichen von sich gibt, das er
den Messiam, welcher auch noch in mutterleib war,
mit freudenspringen im leib seiner mutter Elisabeth
empfanget [Luk. 1, 44].
5. hat Gott im alten testament geboten und ge-
setzt die beschneidung und gesagt: Wo ein kneblein
nicht wurd beschnitten an der vorhaut seines flei-
sches, dessen sel soll ausgerottet werden aus seinem
volk. Es stund aber dabei: „Darumb, daß es meinen
bund unterlassen hat“ [1.Mose 17, 14], das ist: Weil
es vorsetzlich denselben verachtet. Aber im fall der
not hat man dispensirt; den in der wüsten ist in
40 jaren keines beschnitten worden, weil sie immer-
dar auf dem felde gelegen, Josua am 5. cap. [7].
Pharao hat auch viel kinderlein erseufen lassen.
Herodes, der kindermörder, hat ihr viel tausent
metzeln und würgen lassen, darunter, ohne zweifel,
ihr viel gewesen, die noch nicht 8 tag alt gewesen.
6. im n[euen] testament ist zwar der tauf geordnet;
den ,,wo jemand nicht aus dem wasser und Geist ge-
boren wird, so kan er nicht in das reich Gottes kom-
men“ [Joh. 3, 5]. Aber doch haben wir viel exempel
derer, die ohn die tauf selig gestorben. Der schecher
am creuz wird ohn die tauf ins paradis genommen
[Luk. 23, 43]. Also sind in der ersten kirchen viel
merterer dahin gerissen, ehe sie getauft worden.
Solche sind in ihrem blut getauft, wie der h[eilige]
Ambrosius19 schreibt an die schwestern des kaisers
Valentiniani20, welche bekummert war, daß ihr bru-
der, der kaiser, ohne die tauf gestorben. ,,Ich höre,
schreibt er, daß ihr bekummert seit, weil eur bruder
das sacrament der h[eiligen] tauf nicht empfangen.
Weil er sie begert hat, so hat er sie: denn wie solte
der die gnad nicht haben, der den H[eiligen] Geist
18 in der Abhandlung De baptismo aliisque quaestioni-
bus ad Hugonem (MSL 182, 1031-1046).
19 Kirchenvater, † als Bischof von Mailand 397.
20 Valentinianus II., weströmischer Kaiser, ermordet
als Taufbewerber 392 im 21. Lebensjahr (RE 20,
394f. - LThK 10, 481). - Der Brief: Ep. 53, 2
(MSL 16, 1166).

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