VI 1 Christliche Instructio des Thomas Stieber von 1574
andere ordenliche feiertäg zue früe vor essens ein
predig tun und in solcher predig sich rainer postillen
als Lutheri12, Philippi13, Brencii14, Spangenbergii15,
Mathesii16 und anderer gottseligen lehrer gebrau-
chen. Doch sollen sich die pfarrherrn nicht ganz und
gar allain auf die postillen verlassen, sondern sollen
auch selbst studiren, wie denn solche postillen nicht
darumb seind publicirt worden, daß sie solten faule
pfarhern machen, sondern daß die prediger und
pfarhern daraus lernen sollen, wie sie die lehre gött-
liches worts füren und bei ihren zuhörern gebrau-
chen sollen.
Zum sechsten: Damit die pfarhern nicht un-
besonnen ihre predig herausschütten, sonder orden-
lich und besserlich füren, so sollen sie, sonderlich am
sambstag oder feierabent nicht uber felt laufen oder
sich in die wirzheuser setzen, sondern sollen dahaim
bleiben und an solchen tägen ihre lection evangelii
und predig fleißig in wahrer forcht Gottes betrach-
ten, uberlesen und repetirn, auf daß sie ihr befol-
henes ampt desto treulicher am volgenden tag mö-
gen ausrichten.
Zum sibenden sollen die pfarhern alle sontag
nach dem essen im sommer und winter umb eilf oder
zwelf uhr die kinder ordenlich im catechismo unter-
richten, also daß sie die kinder fragen und antwort
von ihnen hören.
Denselben actum sollen sie also verrichten, nem-
lich, daß man
erstlich einen deutschen psalm sing.
Darnach lese man ein stuck aus dem kinder-
catechismo, so der kürchenordnung angehenkt ist17,
12 Zu Luthers Postillen vgl. K. Aland, Hilfsbuch zum
Lutherstudium. Gütersloh 1956. 120-137. — 1544
erschien in Nürnberg Luthers Hauspostille, heraus-
gegeben von Veit Dietrich (WA 52).
13 Die große Postilla Melanchthoniana erschien erst
1594, herausgegeben von Pezel (CR 24). Gemeint
sind hier wohl die Annotationes ... in evangelia 1549
(CR 14, 161-528) oder die 1558 von Seb. Fröschel
herausgegebenen Conciones explicantes ... evange-
lium Matthaei (CR 14, 535-1042).
14 Siehe oben S. 25! - Von ihnen erschienen Ennar-
rationes und Pericopae, Auslegung und Postill über
die Sonntagsevangelien und -episteln.
15 (1484-1550). Der Reformator der Grafschaft Mans-
feld, ein ungemein fruchtbarer pädagogischer
Schriftsteller. Seine 1542-1544 erschienene Postille
oder aus dem catechismo Lutheri18, wie es dann gut
were, daß einer umb den andern dem volk fürgelesen
wurde.
Ferners sollen sie deme volk die sechs haubtstuck
deutsch und laut vorbeten, also daß es die alten leut
haimlich und die jugent fein laut nachsprechen, da-
mit sie es lernen und wol behalten. Was dieses stuck
belangt, sollen sich die pfarhern dafür hüten, man-
cherlai text und form der zehen gebot und des Vater
unsers, der artikel unsers glaubens und der einset-
zung der heiligen sacrament zu gebrauchen, sondern
sollen auf einer form bleiben und dieselben immer-
dar treiben, ein jar wie das andere, damit sie die leut
nicht irr machen.
Nach solchem sollen sie ein stuck aus dem klainen
catechismo Lutheri für sich nehmen und handlen,
darneben die quaestiones auch fleißig treiben, damit
sie den catechismum recht verstehen lernen und
wissen, was ein jedes stuck in sich begreife.
Wo das verricht, soll man das gemaine gebete tun
für alle stende19,
hernach einen kurzen psalm singen,
ein collecten lesen oder singen und
alsdann mit dem segen beschließen.
Wo aber im winter die kelt zue groß were und sol-
cher actus zue lang werden wollt, mag man die lec-
tion des großen catechismi unterlassen und alain den
klainen catechismum sambt den quaestionibus trac-
tiren und handlen.
Man mag auch im sommer die lection des großen
catechismi ein sontag umb den andern treiben, da-
mit man gelegenhait hab, den klainen catechismus
für junge und einfältige Christen wurde neben
Luthers Postille das verbreitetste Predigtbuch der
evangelischen Kirche (RE 18, 564-567. - ADB 35,
43-46).
16 (1504-1565), der Prediger der Lutherhistorie in
Joachimstal. (RE 12, 425-428). Neben zahllosen
Predigten vor allem eine Bergpostille 1562, eine
Sonntagspostille 1565.
17 Sehling 11, 206-279.
18 dem Großen nämlich (Bekenntnisschriften 543
bis 733).
19 Ein solches hat die brandenburgische Kirchenord-
nung nicht. Das Agendbüchlein Dietrichs hat eine
Gebetsvermahnung (Sehling 11, 500f.). Vielleicht
ist an das Allgemeine Kirchengebet der pfälzischen
Kirchenordnung gedacht (siehe oben S. 525!).
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andere ordenliche feiertäg zue früe vor essens ein
predig tun und in solcher predig sich rainer postillen
als Lutheri12, Philippi13, Brencii14, Spangenbergii15,
Mathesii16 und anderer gottseligen lehrer gebrau-
chen. Doch sollen sich die pfarrherrn nicht ganz und
gar allain auf die postillen verlassen, sondern sollen
auch selbst studiren, wie denn solche postillen nicht
darumb seind publicirt worden, daß sie solten faule
pfarhern machen, sondern daß die prediger und
pfarhern daraus lernen sollen, wie sie die lehre gött-
liches worts füren und bei ihren zuhörern gebrau-
chen sollen.
Zum sechsten: Damit die pfarhern nicht un-
besonnen ihre predig herausschütten, sonder orden-
lich und besserlich füren, so sollen sie, sonderlich am
sambstag oder feierabent nicht uber felt laufen oder
sich in die wirzheuser setzen, sondern sollen dahaim
bleiben und an solchen tägen ihre lection evangelii
und predig fleißig in wahrer forcht Gottes betrach-
ten, uberlesen und repetirn, auf daß sie ihr befol-
henes ampt desto treulicher am volgenden tag mö-
gen ausrichten.
Zum sibenden sollen die pfarhern alle sontag
nach dem essen im sommer und winter umb eilf oder
zwelf uhr die kinder ordenlich im catechismo unter-
richten, also daß sie die kinder fragen und antwort
von ihnen hören.
Denselben actum sollen sie also verrichten, nem-
lich, daß man
erstlich einen deutschen psalm sing.
Darnach lese man ein stuck aus dem kinder-
catechismo, so der kürchenordnung angehenkt ist17,
12 Zu Luthers Postillen vgl. K. Aland, Hilfsbuch zum
Lutherstudium. Gütersloh 1956. 120-137. — 1544
erschien in Nürnberg Luthers Hauspostille, heraus-
gegeben von Veit Dietrich (WA 52).
13 Die große Postilla Melanchthoniana erschien erst
1594, herausgegeben von Pezel (CR 24). Gemeint
sind hier wohl die Annotationes ... in evangelia 1549
(CR 14, 161-528) oder die 1558 von Seb. Fröschel
herausgegebenen Conciones explicantes ... evange-
lium Matthaei (CR 14, 535-1042).
14 Siehe oben S. 25! - Von ihnen erschienen Ennar-
rationes und Pericopae, Auslegung und Postill über
die Sonntagsevangelien und -episteln.
15 (1484-1550). Der Reformator der Grafschaft Mans-
feld, ein ungemein fruchtbarer pädagogischer
Schriftsteller. Seine 1542-1544 erschienene Postille
oder aus dem catechismo Lutheri18, wie es dann gut
were, daß einer umb den andern dem volk fürgelesen
wurde.
Ferners sollen sie deme volk die sechs haubtstuck
deutsch und laut vorbeten, also daß es die alten leut
haimlich und die jugent fein laut nachsprechen, da-
mit sie es lernen und wol behalten. Was dieses stuck
belangt, sollen sich die pfarhern dafür hüten, man-
cherlai text und form der zehen gebot und des Vater
unsers, der artikel unsers glaubens und der einset-
zung der heiligen sacrament zu gebrauchen, sondern
sollen auf einer form bleiben und dieselben immer-
dar treiben, ein jar wie das andere, damit sie die leut
nicht irr machen.
Nach solchem sollen sie ein stuck aus dem klainen
catechismo Lutheri für sich nehmen und handlen,
darneben die quaestiones auch fleißig treiben, damit
sie den catechismum recht verstehen lernen und
wissen, was ein jedes stuck in sich begreife.
Wo das verricht, soll man das gemaine gebete tun
für alle stende19,
hernach einen kurzen psalm singen,
ein collecten lesen oder singen und
alsdann mit dem segen beschließen.
Wo aber im winter die kelt zue groß were und sol-
cher actus zue lang werden wollt, mag man die lec-
tion des großen catechismi unterlassen und alain den
klainen catechismum sambt den quaestionibus trac-
tiren und handlen.
Man mag auch im sommer die lection des großen
catechismi ein sontag umb den andern treiben, da-
mit man gelegenhait hab, den klainen catechismus
für junge und einfältige Christen wurde neben
Luthers Postille das verbreitetste Predigtbuch der
evangelischen Kirche (RE 18, 564-567. - ADB 35,
43-46).
16 (1504-1565), der Prediger der Lutherhistorie in
Joachimstal. (RE 12, 425-428). Neben zahllosen
Predigten vor allem eine Bergpostille 1562, eine
Sonntagspostille 1565.
17 Sehling 11, 206-279.
18 dem Großen nämlich (Bekenntnisschriften 543
bis 733).
19 Ein solches hat die brandenburgische Kirchenord-
nung nicht. Das Agendbüchlein Dietrichs hat eine
Gebetsvermahnung (Sehling 11, 500f.). Vielleicht
ist an das Allgemeine Kirchengebet der pfälzischen
Kirchenordnung gedacht (siehe oben S. 525!).
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