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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0600
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Herrschaft Wolfstein

Doch ist es fein, das die weiber an dem tage, do sie
aus den wochen gehn, zur kirchen kommen und
Gottes wort hören, Gott anrüfen und ihme für sein
genade, der bede, sie und die frucht, erhalten hat,
von herzen danken, auch bede, sich und die frucht,
Gott befelhen.
Von der jahetaufe,
wie es damit soll gehalten werden.
Dieweil bishero in der christlichen kirchen ein
löbliche und wolgegründte ordnung gewesen und ge-
halten worden ist, daß alle christliche personen, nicht
allain menner, sondern auch weiber, sonderlich die
hebammen, weil sie auch miterben seind der gnaden
Gottes, als Petrus leret [1.Petr. 3, 7], und die not
der gemainen regel nicht unterworfen ist, zur zeit
der not in abwesen der menner die kindlein getauft
haben, welches man ein jahetauf oder gehetauf ge-
nennet hat, so soll dieselbe auch nicht aufgehoben
sein, sondern bleiben und gehalten werden und soll
uns nicht irren, obschon die calvinisten23 aus großer
unzeitiger klueghait solche jahetauf verwerfen, als
soll sie unrecht sein. Damit aber in disem handel
gute ordnung gehalten werde, soll man auf die nach-
folgende punkte und artikel merken.
Erstlich sollen die pfarhern das volk, sonderlich
die hebammen fleißig vermahnen und unterrichten,
daß sie zue solcher taufe nicht eilen, auch solche tauf
nicht fürnehmen, es erfordere dann solches die hohe
und eißerste not, daß man taufen muß, wie dann
diser artikel in concilio Cartaginensi 5.24 ist confir-
mirt worden mit disen worten: Mulier quantumvis
sancta non praesumat baptizare nisi cogente necessi-
tate.
Zum andern sollen sie die leut, sonderlich die
hebammen berichten und ihnen auflegen, daß sie
ernstlich und in aller forcht Gottes mit solcher taufe

23 in der benachbarten Kuroberpfalz (Siehe oben S.
264!).
24 nach Corpus juris canonici, Decretum Gratiani, pars
III (de consecratione) distinctio 4 cap. 20, wo aber
Conc. Carth. 4 als Quelle genannt wird).
25 Damit ein Kind nicht ohne Taufe des ewigen Heiles
verlustig gehe, erklärt es die katholische Kirche für
schwere Pflicht, ein Kind notfalls auch vor voll-

umbgen und wol bedenken, was sie für ein groß werk
aus tringenter not verrichten sollen.
Zum dritten soll man die hebammen oder an-
dere personen, so sich zu solchem werk gebrauchen
lassen, vermahnen und ihnen befelhen, daß sie kain
kind taufen, es sei dan an die welt ganz und gar ge-
boren und von seiner mutter ledig.25 Non enim po-
test renasci, nisi prius integre sit natus.
Zum vierten: Wo es die zeit leiden will, sollen
sie zuvor, ehe sie taufen, Gott anrüfen und ein Vater
unser beten mit denen, so dazumal bei einander ver-
samlet seind, daß Gott solch kindlein umb Christi
willen wölle zu gnaden an- und aufnehmen, nach
seiner großen barmherzigkait und welle desselben
genediger Gott sein.
Zum fünften: Wan nun solches geschehen, so
sollen sie das kindlein taufen im namen Gottes des
Vaters und des Sohns und des Heiligen Geistes. Dise
wort sollen sie ordenlich und verstentlich füren und
bedachtsam aussprechen, wie in unser kirchenord-
nung angezaigt wird.26
Zum sechsten sollen in solcher jahetauf allezeit,
wie auch sonst, rechts und natürlichs wasser genum-
men und gebraucht werden, wie dann Joan. 3 [5]
stehet: Es sei dann, daß jemand durchs wasser und
Heiligen Geist neu geboren werde, so kann er in das
reich Gottes nicht kummen.
Zum sibenden solle man dem kindlein auch
einen namen geben, wen man es taufet. So ihme
aber kain name in der eil gegeben ist, so gebe man
ihme nach der taufe einen namen, wie die eltern wel-
len.
Zum achten sollen sie nach der taufe auch den
glauben sprechen, jederman zue erinnern, warauf
das kindlein getauft sei.
Zum neunten sollen sie auch alle, die so dabei
seind, ermahnen, daß sie sich wellen erinnern und
merken, was alhie geton und wie das werk der heili-
endeter Geburt noch im Mutterleibe zu taufen
(Wetzer 11, 1270). Dieses Verfahren hatte schon
die ansbachische Visitationsordnung von 1536 bearg-
wöhnt (Sehling 11, 321) und das Agendbüchlein
Veit Dietrichs 1543 (Sehling 11, 506) sowie die Ver-
einbarung der brandenburgischen Theologen 1556
(Sehling 11, 336) verboten.
26 Sehling 11, 177.

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