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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0610
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Herrschaft Wolfstein

stucken auf uns sehen und solches uns zum ergsten
deuten.
Zum vierten: Dieweil auch bishero an kürch-
weihefesten ergerliche, langwierige gastung von
vilen leuten, auch von den pfarhern sein gehalten
worden, so sollen solche langwierige gastung bei den
pfarherren aufgehoben sein. Doch ist hiemit nicht
verboten, daß ein pfarherr nicht dörfte kürbei hal-
ten und seine benachbarte collegas und gute freund
zur kürbei laden - allain, das ein christliche zucht
und ordnung gehalten werde, damit wir nicht epi-
curischen seuen ursach geben, ein viehischs und
täglichs fressen und saufen mit unserm eignem
exempel zu beschönen, wie dan auch umb diser und
anderer ursachen willen die kürchweihefest und
kürchweigastung allen pfarhern in der marggrafi-
schen capitelsordnung verboten seind.6
Zum fünften sollen sich die kürchendiener für-
sehen und hüten, daß sie nicht mit leichtfertigen
leuten zechen oder sonst gemainschaft mit ihnen
haben - es were dan, daß es geschehe, solche leut auf
einen guten weg zu bringen, wie uns Christus mit
seinem exempel leret.
Zum sechsten sollen die kürchendiener sich hü-
ten, ein unpriesterlichs leben zu führen mit gotts-
lestern, fluchen, spilen und unzucht, sollen sich auch
für ehebruch, diebstal, wucher und andern schanden
und lastern, wie dan solches an keinem kürchendie-
ner soll geduldet werden, [hüten].
Zum siebenden sollen sie auch gegen jederman
sich nachtbarlich und fründlich verhalten, nicht mit
den leuten stetigs ohne alle ursach und oft umb einer
geringen sach willen hadern und zanken, da sie den
hernach mit schand und spott für weltlich gericht
gezogen werden und alda ihr gezenk mit großem
ergernus ihres ambts austragen und verrichten
müssen.
Zum achten sollen die pfarhern ihnen kainen
kolben7 schneiden lassen oder kurze vermutzte8

6 in der Kapitelsordnung von 1565 (Sehling 11, 357).
7 Eine Haartracht der Mitte des 16. Jahrhunderts, bei
der das Haar vom Wirbel aus nach allen Seiten glatt
herabgekämmt und das Gesicht dann dadurch frei-
gelegt wurde, daß man hier das Haar von einer
Schläfe zur anderen in halber Stirnhöhe abschnitt.
Sie war um die Zeit dieser Kirchenordnung in vor-
nehmeren Kreisen schon wieder aus der Mode ge-

hare auf ihrem haubt tragen, sondern, weil solches
den ministris ecclesiae übel anstet, soll es mit fleiß
von ihnen vermitten werden.
Zum neunten sollen sie auch ihre kinder und
weiber in guter disciplin, zucht und gehorsam halten
nach der lere Pauli (1.Timot. 3 [4, 11]): Qui liberos
habeat in subjectione, cum omni reverentia, uxores
similiter modestas, sobrias, non calumniosas etc.
Zum zehenden sollen sie nicht auf öffentliche
schießen ausziehen und daheim bede, ihr ambt und
kürchen, verlassen, wie dan ein pfarherr bei seiner
kürchen und pfarr bleiben und ohne not und erheb-
liche ursach sich nicht von dannen begeben soll, da-
mit sie nicht in disen argwon fallen, als trügen sie
gar kaine sorg für die seelen ihrer pfarrkünder und
zuhörer.
Zum eilften sollen sie auch kain öffentliche
würtsschaft treiben und zechleut setzen; dann sol-
ches will sich auch nicht gebüren, wie in jure cano-
nico vermeldet wurd mit disen worten: Clerici non
debent ministrare in tabernis, immo nec habere ta-
bernas, propter vitia et turpia, quae ibi exercentur
(summa Antonini, parte 3, tit. 13, cap. 3, § 39).
Zum zwelften sollen alle pfarhern unter unserm
genedigen herren sich aller papistischen pfaffen ent-
halten und entschlahen und kaine gemainschaft mit
ihnen haben, auf das unsere zuehörer mögen mit der
tat sehen und erkennen, daß unser predigen wider
das abgöttisch babstumb aus rechtschaffenem her-
zen und inprünstigem eifer rainer lere herfließe, und
sie durch unser exempel die greuliche abgötterei und
falsche lere des babstumbs zu hassen und bei dem
evangelio Christi zu verharren ermahnet und gester-
ket werden. Es schickt sich seer übel und ist ergre-
lich, daß wir vil gemainschaft haben sollen mit de-
nen, die wir in unsern predigen für feinde unsers Hern
Christi ausrufen und als götzendiener verdammen.
Darumb will sichs gebüren, daß wir nachfolgende
vermahnung Pauli und Johannis betrachten und
kommen (Ruth Klein, Lexikon der Mode. Drei
Jahrtausende europäischer Kostümkunde. Baden-
Baden 1950. 219. — Vgl. das Jugendbildnis Karls V.
von Bernh. Striegel!).
8 = mutzen = putzen (Schmeller 1, 1706f.).
9 Siehe oben S. 585 Anm. 4! — Die Stelle in der dort
genannten Ausgabe f. Q 6v (Statt vitia hat dieser
Druck vilia).

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