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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0609
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VI 1 Christliche Instructio des Thomas Stieber von 1574

Zum sibenden sollen die pfarhern auch unter ih-
nen selbst nicht ergerliche disputationes erregen,
vil weniger auf die canzel bringen; dan aus solchem
unnötigen disputirn folgen nit allain, wie Paulus
lehret (1.Timot. 6 [4]), neid, haß, lesterung und
böser argwon, sondern wird auch der gemain man
irr gemacht, geergert und in zweifel gefürt. Wo aber
jemand in einem artikel groß oder klein einen scru-
pulum oder irrung hette, soll er mit andern gelerten
sich unterreden, mit ihnen conferiren und sich aus
Gottes wort unterrichten und weisen lassen.
Von dem leben der kürchendiener.
Dieweil auch der heilige Paulus so treulich ermah-
net, das alle bischof und kürchendiener ein ehrlich
und christlich leben führen sollen, als er tut 1. Timot.
3 [2ff.], Tit. 1 [7ff.]: Oportet episcopum irrepraehen-
sibilem esse etc. Desgleichen auch der liebe Petrus,
da er sagt 1. Pet. 5 [3]: Sitis exemplaria gregis! So
ist von nöten, daß die kürchendiener im leben sich
also verhalten, daß der lere, so sie füren, und ihrem
ambt kain ergernus daraus entstehe, wie Paulus
leret (1.Cor. 9 [12]): Ne quid demus offendiculum
evangelio Christi! Denn wen einer schon wol leret
und darneben ein boses leben führet, so verdörbt
er das alles durch bös exempel, was er gutes durch
sein predig pflanzet und bauet, als Nazianzenus1
sagt: Qui bene docent et male vivunt, quod una
manu porrigunt, id altera auferunt.
Wiewol aber nicht alles, was zue einem gottseligen
leben der kürchendiener gehöret, kurzlich kann er-
zelt werden, so sollen doch die pfarhern und kür-
chendiener diser stuck und punkten fleißig erinnert
werden.
Erstlich soll ein jeder kürchendiener sich prie-
sterlich und erbarlich mit kleidung verhalten und
mit kleidern keine leichtfertigkait gebrauchen, da-
mit nicht jemand geergert und umb ihrer leicht-
fertigkait willen bewegt wird, alles böses von ihnen
zu reden und das ministerium zue schenden. Will

1 Gregor von Nazianz d.J., † 390. (RE 7, 138-146. -
LThK 42, 1209ff.).
2 = mutzen = putzen (Schmeller 1, 1706f.).

sichs derhalben gebüren, daß sie nicht sollen zer-
fetzte, zerschnittene, ausgezogene hosen, kurze ver-
mutzte2 röck, hohe spitzhauben, lange reutersdol-
chen etc. weder gebrauchen noch tragen sollen, wie
auch dises stuck in jure canonico gedacht werd mit
disen worten, als die summa Antonini parte 3, tit.
13. cap. [3] § 53 meldet: Clerici nec fulgidis nec sor-
didis vestibus utantur. Item: Clerici non clebent
ferre vestes incisas nec lingulatas nec varii coloris
nec rubeas nec virides nec nimis longas vel breves
vel de serico. Hiemit aber ist nicht verboten, daß
ein pfarherr, wan er will uber land raisen, nicht
dörfte weltliche klaider, wie mans nenet, antragen
und anders gen, dann er in seinem ambt pflegt be-
klait zu sein, wie auch die summa Antonini meldet,
quod clericis peregrinationis, timoris vel alia causa
simili liceat transformare habitum.4 Doch sollen
auch solche wanderkleider der form und gestalt sein,
daß dem heiligen ministerio kein schand noch spott
daraus erfolge.
Zum andern sollen auch die pfarhern ohne red-
liche ursachen sich nicht in die würtzheuser setzen
und darinnen allzulang mit großem ergernus ver-
harren und oft einen tag sich zwei oder drei male
vollsaufen und die nacht auch mit solchen ergerli-
chen sünden zubringen. Wo sie aber aus welchen ur-
sachen in ein wirtshaus gen oder erfordert werden,
sollen sie sich gebürlich halten, nicht mit den leuten
zanken, schlagen und palgen, sich auch nicht wie
ein schwein mit übrigen fressen und saufen beladen
nach der lere Pauli, der da sagt [Tit. 1, 7]: Oportet
episcopum esse irrepraehensibilem, sobrium, mo-
destum, non percussorem, alienum a pugnis, non
iracundum, non vinosum etc. Sie sollen auch zur
rechten zeit wieder heimgen, damit sie die leut nicht
ergern und ihr hohes ambt schenden.
Zum dritten sollen die pfarhern nicht alle kür-
bei5 auslaufen und ausspielen, welchs dann auch
ser ergerlich ist und die leut denken, als hetten wir
sonst nichts zu tun, den das wir dem essen und trin-
ken nachlaufen. Es seind auch vil leut, die in solchen
3 Siehe oben S. 585 Anm. 4! (Die Stellen in der dort
genannten Ausgabe f. Q 7).
4 Vgl. S. 585 Anm. 4! - aaO. f. Q 7V.
5 = Kirchweih.

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