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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0613
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VI 2. Eheartikel

Volgen die eheartikel, welche alle jar am tag Philippi
Jakobi [1. Mai] und am nechsten sontag nach Mi-
chaelis [29. Sept.] nach getoner predig dem volk auf
öffentlicher canzel mit fleise sollen fürgelesen werden.
Dieweil der eheliche stand ein christlicher und löb-
licher stand ist, von Gott selbst geordnet und ein-
gesetzt, soll derselbige billig von jederman, jung und
alt, geehret und keine leichtfertigkait mit demsel-
ben getrieben und geübet werden. Damit aber alle
unordnung und leichtfertigkeit, disen stand be-
treffent, abgewendet, Gottes lob und alle zucht und
erberkait gefürdert, so hat unser genedige herr-
schaft (herr Hannß Endres von Wolffstain, freiherr
zur Obern Sultzbürg etc.1) dise volgende artikel, so
in schriften verfast seind, allen ihren gnaden unter-
tanen zu publicirn, genedigst befolhen und wellen
auch ihr gnaden, daß ein jedlicher untertan sich sol-
cher artikel gemes gehorsamlich verhalten soll. Wo
aber jemand solche artikel freventlich ubertreten
wurde, der sol wissen, daß auch gebürliche und ernst-
liche straf wider denselben fürgenummen werden
solle. Darnach auch sich meniglich wisse zu richten
und für schaden zu hüten.
Zum ersten soll sich ein, ledigeunverlobte person
nicht mit zwaien oder mehr personen zugleich ehe-
lich versprechen. Wer aber verlobt ist und einen ehe-
gemahel hat, soll in werenter ehe für absterben sei-
nes gemahels kainer andern person einige ehe ver-
sprechen, vil weniger in hoffnung künftiger ehe bei-
schlafen; dann solches alles dem göttlichen wort und
aller christlicher zucht und erberkait zuwider ist.
Zum andern soll sich niemand mit einer solchen
person verheuraten, die ihme mit blutfründschaft
und schwägerschaft im ersten, andern oder dritten
grad befründet oder verwandt ist, sonderlich solle es
nicht geschehen in disen graden, so im göttlichen ge-
satz austrucklich verboten seind2, damit blut-
schande vermiten und Gott nicht zur greulichen
straf verursacht werde.
Druckvorlage: Wie bei VI 1 (S. 566) - Blätter 38-44
Siehe oben S. 564.
1 † 1585 (siehe oben S. 562!).

Zum dritten soll niemand, so noch unter seiner
eltern gewalt ist, ohne rat, vorwissen und bewilli-
gung derselben sich ehelich mit andern verloben;
dann solches wider göttlich, naturlich und beschri-
bene recht ist, welche alle den schuldigen gehorsam
und ehrerbietung der kinder gegen den eltern gebie-
ten und erfordern und aus solchem ungehorsam der
kinder gemeiniglich nichts anderst erfolget dann be-
trübnus und herzenleid der eltern, ein beschwerlich
verderben der kinder und anderer großer unrat.
Zum vierten: So aber jemand weder vater noch
mutter hette und sein verstendig alter noch nicht er-
raicht, soll er sich doch in eheliche pflicht nicht ein-
lassen ohne rat und vorwissen seiner fürmunder oder,
wo er kaine fürmunder hat, ohne rat und fürwissen
seiner nechsten freund3; dann solche billig anstat
vater und mutter sollen geehret und in diser hohen
sach, welche junge leut wenig versten, ihres rats ge-
pflegt werden.
Zum fünften sollen die eltern und fürmünder
ihre kinder, so nun erwachsen und zum ehestand
tüglich seind, zue rechter zeit christlich verheuraten
und väterlich versorgen, sollen dieselben mit nichten
eigennutzigerweise an ehelichen, bequemen heuraten
hindern oder die ehe gar verbieten. Sie sollen auch in
kainen weg ihre kinder zue unanmutigen und unan-
genemen heuraten weder mueßigen4 noch zwingen.
Zum sechsten: Dieweil es oft geschicht, das für-
münder ihre pflegesöhn oder -töchter ihnen selbst
oder ihren söhnen und töchtern durch geschwinde
practiken und lüstiges uberreden verheuraten, damit
sie das gelt ihrer pfiegekinder zu sich bringen oder
gehabter fürmundschaft kain rechnung geben dör-
fen, so soll hinfüro niemand seine pflegkinder vor
getoner rechnung und ohne erlaubnus der oberkait
weder ihme selbsten noch seinen söhnen oder töch-
tern verheuraten.
Zum sibenden soll kain fürmünder seine pfleg-
kinder verheuraten ohne rat und vorwissen zwaier
oder dreier nechster freund. Wo aber die pflegkinder
2 3.Mose 18.
3 = Verwandten.
4 = nötigen (Schmeller 1, 1676. - Lexer 2, 1217),
hier wohl im Sinne von überreden.

38 Sehling, Bayern III

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