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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0237
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Kirchenordnung 1556

Und mag zu anlaitung der leut dise ursach darbey
gesagt werden, wenn man ein unsichtbar wesen an-
rüft, so helt man dasselbig für allmechtig, als nem-
lich, das es aller menschen hertzen erkhennen könde
und underscheiden heuchlerey und hertzliche anrü-
fung. Nun ist gewißlichm, das allein Gott allmechtig
ist und allein die hertzen erkhent und richtet. Da-
rumb ists offentlich, das man allein Gott anrüfen soll.
Die ander ursach l.Timo. 2. [5] ist geschriben: Es
ist ein einiger mittler zwischen Gott und den men-
schen, der mensch Christus Jesus. Und gehören zu
des mittlers eere dise zwey empter, das er der hohe-
priester sey, der in das heiligthumb geet, das ist, der
Gottes heimlichen rat und willen sicht, erkhennet
auch aller menschen hertzen und seuftzen. Darumb
ist er auch Gott. Item, das er uns aus göttlichem rat
zum versüner, gnadenstul und fürbitter geordnet
sey, das uns die göttliche majestet umb dises ver-
süners willen gnedig sein und uns erhören wölle und
das uns dises durch Gottes wort verkündiget sey.
Darumb sollen wir in aller anrüfung disen einigen
mittler, den herrn Jesum Christum, anschauen und
auf in vertrauen, das uns Gott gnedig sein und er-
hören wölle umb dises mittlers willen, der in das
heiligthumb geet und Gottes rat und willen allezeit
anschauet, sicht auch unsere hertzen und seuftzen.
Und ist der versüner, nemlich der son Gottes Jesus
Christus.
Daraus ist nun klar, das grausame abgötterey ist,
andere mittler, nemlich die gestorbne menschen, zu
tichten und durch andere einen zutrit zu Gott für-
nemen und der göttlichen majestet ein andere ord-
nung machen.
Die dritte ursach, man soll keinen gottesdienst
und anrüfung in die kirche einfüren one Gottes wort.
Nun ist offentlich, das von der gestorbnen menschen
anrüfung kein gotteswort oder exempel in göttlicher
schrift ausgedruckt ist.
Die vierdte ursach, in der anrüfung soll glauben
sein, der Gottes wort habe, dsa Gott solcher dienst
gefellig sey. Das kan in der gestorbnen heiligen an-
rüfung auch nicht sein.
m 1577: gewiß.
75 Fehlt Neuburg 1554.

Aus disem allem ist klar, das gantz nötig ist, der
gestorbnen heiligen anrüfung zu strafen und das
volck zum herrn Christo zu weisen. Und wiewol
jetzund vil sophisterey gesucht wirdt, dise abgötti-
sche, heidnische gewonheit zu erhalten, so ist doch
offentlich, das dardurch das ampt des herrn Christi
verblendt wirdt. Item, so jemand die heiligen men-
schen auch als helfer anrüft, wie vil bepstliche ge-
säng lauten, der macht offentlich abgötter aus inen,
wie die heiden allerley abgötter gemacht haben.
Wie aber von den heiligen recht zu predigen sey,
das werden die gelerten pastores selbs wissen. Und
mag man die andere berichten, nemlich, das man
die historien von anfang lerne, welchen menschen
sich Gott geoffenbaret hat und sein wort gegeben
und welche leere zu jeder zeit die heiligen gepredigt
und gestritten haben, das wir durch ir zeugknus ge-
sterckt werden. Item, wie die kirche für und für
under dem creutz gewesen sey und gleichwol durch
göttliche macht erhalten etc.75. Und sollen die ge-
lerten pastores auf die andere achthaben, das nicht
in76 solche predig irrthumb eingemenget werden.
Von den ceremonien, die von menschen in der
kirchen erdacht sind.
Ists auch recht, das die menschen erdicht haben
underscheid der speise, bestimpte tage zu fasten,
ee verboten, müncherey aufgericht? etc.
Antwort:
Es ist unrecht und abgötterey, das menschen
ausser Gottes wort leere von Gottes wesen und willen
oder gottesdienst erdichten. Denn die regel ist gantz
offentlich Matth.77 15. [9]: Vergeblich eeren sie mich
mit menschengeboten. Gott wil erkhandt, angerüfen
und geehret sein, wie er sich selbs aus grosser barm-
hertzigkeit durch sein wort geoffenbaret hat. Aber
wie der teufel die Eva im paradeis von Gottes wort
auf eigne gedancken füret [vgl. Gen. 3, 1-5], also
78hernach haben78 die heiden Gottes wort verlassen
und grausamlich eigne fantaseyen von Gott erdich-
tet und mancherley götter und werck fürgenommen
76 Neuburg 1554: ein.
77 Neuburg 1554: + am.
78-78 Neuburg 1554: haben hernach.

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