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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0248
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

Dann so sich der casus also begebe, das ein junges,
seines alters under fünfundzweintzig jaren, mit son-
derlichem fleiß in zucht von eltern auferzogen wurde,
irgendts mit betrug und hinderlistiger kupplerey
oder sonst unerbarlich hindergangen, das es einem
andern die ee verlobt und begert, vor der orden-
lichen bestetigung der verlübtnus, auch vor dem
beyschlafen, dem väterlichen gewalt underwürflich
zu sein, soll sollich person den eltern vermög gött-
licher und keyserlicher recht billich zugesprochen
werden, unangesehen das die geistliche recht für-
geben: Solus consensus facit matrimonium, allein
die verwilligung bindet die ee.
Dann es ja war ist, das alle die, so eelich zusam-
men verbunden werden, darein bewilligen sollen und
niemandts wider seinen willen gezwungen werden
soll, yedochs so ist es an der blossen bewilligung
nicht gnug, sonder soll die ee kreftig sein, so muß die
verwilligung rechtmessig geschehen und volkommen
sein. Wann aber ein junges, das noch im väterlichen
gewalt, sich one vorwissen und verwilligung der
eltern zu dem andern eelich bewilliget und verlobt,
so ist es in ansehung, das es göttlichem und natür-
lichem gesetz widerstrebe, kein rechtmessige bewil-
ligung. Darumb soll es auch für unbündig erkhant
werden.
Man wil wol hierin fürgeben, es sey wol erbarlich,
aber nicht nötig, das die bewilligung der eltern er-
fordert werde. Yedochh, wann verstendige i leut
recht bedencken, was nötig sey, so erfindt es sich,
das nichts nötigers zu thun sey, dann was erbar und
von göttlichem und natürlichem rechten zu thun
auferlegt ist.
Es wil auch gesagt werden: Quod semel placuit,
amplius displicere non potest, was einem einmal ge-
fellig, soll im nicht mehr ungefellig sein. Und solk
diser spruch so vil vermögen, wann ein junges ein-
mal dem andern die ee verheisst, soll im nicht mehr
gestat werden, dasselb zu widersprechen.
Nun ist die leichtfertigkeit streflich. Und ist war,
was einem einmal ordenlich, rechtmessig und vol-
kommenlich gefellig und also versprochen wirdt, das
g H: jedoch.
h H: Jedoch.
1 H: verstendig.
k H: soll.

soll für bestendig geachtet werden. Da aber ein
junges aus unverstandt und betrug, auch seiner9
eltern guthat unbedacht, sich zu dem andern one der
eltern verwilligung eelich verspricht, so ist es für
kein ordenlich, rechtmessig, volkommenlich, sonder
für ein unordenlich, unbillich und unvolkommenlich
gefallen zu halten. Darumb mag es nit für ein kreftig
und bündig versprechen angezogen werden.
Item, es wil auch hierin der spruch Christi: Quod
Deus copulat, homo non separet, was Got zusam-
menfügt, das soll der mensch nicht scheiden [Mt. 19,
6], fürgeworfen und diser meinung verstanden wer-
den, als solt der jungen eeverpflichtung, so one der
eltern verwilligung geschicht, aus Gott und derhal-
ben bündig sein.
Aber was aus unverstandt, betrug, undanckbar-
keit und unrechtmessig wider göttlich und natürlich
erbarkeit geschicht, das soll man dem gnedigen
willen Gottes nicht zuschreiben. Hierauf, so ein
junges wider alle billigkeit sich one bewilligung der
eltern zu dem andern eelieh verlobt, soll es nicht für
ein zusammenfügung Gottes, sonder des bösen
feinds geacht und demnach für unbündig gehalten
werden.
Etliche eltern halten sich gegen iren kindern un-
väterlich und versaumen sie nicht allein in rechter
christlicher zucht, sonder auch in zeitlichen und be-
quemen verheyraten.
In solchem fall halten sich die keyserliche recht
gegen den jungen für sich selbs etwas gelinder und
legen hierin den eltern auf, das sie nicht allein iren
kindern zu heyraten helfen, sonder auch aussteuren
sollen. Denn also sagt der lex Qui liberos ff. de ritu
nup.[tiarum]10: Welche iren kindern, so sie in irem
gewalt haben, unbillich verbieten, eeweiber zu ne-
men oder sieh vereelichen, oder wöllen inen kein zu-
gelt geben, die sollen vermög der satzung der zweyer
keyser Severi und Antonii durch die ambtleut und
landvögt gezwungen werden, das sie dieselben ver-
heyraten und außsteuren. Man helt aber dafür, das
auch diser seines kinds ee verbiete, der nicht fleiß
ankert, seinem kind bequeme heyrat zu suchen.
9 Neüburg 1554: seinen.
10 D 23, 2, 19 (CJC I, 331-332).

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