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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0034
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wurde in der Teilgrafschaft Neuenstein wegen von Westen drohender Kriegsgefahr ein jeden Mittag
stattfindender Bittgottesclienst angeordnet; Weikersheim und Langenburg folgten mit eigenen
Foraralaren. Während in Keuenstein der Gebetsgottesdienst nach Abklingen der Not wieder ah-
geschafft und nur 1594 ein Gebet beim Läuten der Türkenglocke angeordnet wurde, ließ Graf Wolf-
gang das „tägliche Gebet“ jahrzehntelang halten (Nr. 38-40). Auf eine Gesangsordnung (1589,
Nr. 44) folgten weitere Befehle, clie ab 1592 auch in Langenburg eingeführt wurden (Nr. 48-51, 53).
I)er Generalsuperintendent Meder ging 1594 nach Naumburg und später nach Nebra in Thüringen.
Er mußte eine Erklärung unterschreiben, daß er nicht etwa wegen der Gefahr des Calvinismus unter
Graf Wolfgang gegangen sei 43. Als die Hexenverfolgung in Eranken ab 1589 auch in Hohenlohe
zu Prozessen führte, hatte Meder anfeuernde Predigten gehalten, clie auch im Druck erschienen 44.
Ein Befehl von 1592 bezog sich auf die Hostienschädigung durch Hexen (Nr. 51).

Am 25. Juni 1595 fand ein Konvent der führenden Geistlichen der Gesamtgrafschaft wegen
der Lehre und den von Graf Wolfgang gewünschten Gottesdienständerungen statt. Nach dem
Scheitern ließ Wolfgang schon am 2. Juli 1595 seine Kirchendiener eine „Vergleichung“ wegen der
Zeremonien unterschreiben, in der teilweise frühere Einzelbefehle wiederholt wurden. Abgeschafft
wurden die Bilder in den Kirchen, Chorröcke, die Nachkonsekration (Wiederholung der Einset-
zungsworte), das Vorzeigen von Patene und Kelch und das Vorhalten der Tüchlein beim Abendmahl,
die Taufsteine sowie das Wetterläuten. Diese „Vergleichung“, bei der der Graf versicherte, nicht
vom lutherischen Bekenntnis abfallen zu wollen, wurde mit weiteren Änderungen der Kirchen-
orclnung und einer detaillierten Gesangsordnung mit vielen - in den reformierten Kirchen ge-
bräuchlichen - Psalmen des Ambrosius Lobwasser in die Schul- und Gesangsordnung von 1596 auf-
genommen (Nr. 54). Die Lieder und Psalmen sind in dem 1604 gedruckten Gesangbuch von Eras-
mus Widmann enthalten.

Auch die Sorge für gute Zucht und Polizei fand ihre Ausgestaltung. Die kurze gemeinsame
Polizei- und Eheordnung von 1583 (Nr. 33), die bis zur Eertigstellung eines Landrechts gelten sollte,
wurde schon 1588 von Graf Wolfgang durch eine ausführliche Polizei-, Ehe- und Rügordnung er-
setzt, die auch in Neuenstein und Langenburg eingeführt wurde und der eine Ordnung der Graf-
schaft Castell als Vorlage cliente (Nr. 43). Die im nächsten Jahr folgende Visitationsordnung (Nr. 45)
enthielt für eine Art „politischer Visitation“ Fragen nach der gewissenhaften Pflichterfüllung der
weltlichen Amtsträger. Die Visitationen dienten der Überwachung, ob die alle Einzelheiten regeln-
den kirchlichen uncl politischen Gesetze der Herrschaft peinlich genau befolgt würden. Von einer
irgendwie gearteten Trennung von geistlichem und weltlichen Regiment konnte keine Rede mehr
sein. Die Eestigung des landesherrlichen Kirchenregiments folgte nicht nur aus dem gleichzeitig er-
folgten Ausbau der Landesherrschaft, sondern trug wesentlich zu diesem bei 45. Graf Wolfgang, der
1607 seine Ordnungen auch in Neuenstein einführen konnte, suchte den von ihm geschaffenen
„Musterstaat“ auch nach seinem Tode durch Verträge mit seinen drei Söhnen zu sichern. Die Wal-
denburger Vettern schlossen 1615 einen ähnlichen Regimentsordnungsrezeß (Nr. 56). Im Dreißig-
jährigen Krieg aber brach die mühsam aufgebaute Ordnung zusammen.

Während die Neuensteiner Herrschaft zur lutlierischen Konkordienformel zurückkehrte, kam
es im Waldenburger Teil zu religiösen Veränderungen. Die Witwe des Grafen Georg Eriedrich, die
calvinistisch erzogene Gräfin Dorothea Sophia von Solms, nahm 1650-1652 gewaltsame Änderungen

43 Meder resignierte, weil zwei Bitten um Gehaltserhöhung abgelehnt worden waren (PA 101, 3, 6).

44 David Meder, Acht Hexenpredigten, Darinnen Yon des Teuffels Mord Kindern, der Hexen, Vnholden, Zauberi-
schen, Drachenleuten, Milchdieben, etc. erschrecklichen Abfalle... Leipzig 1605.

45 Franz, Kirchenleitung 145—152.

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