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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0033
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auch das letzte Mal eine Generalvisitation der ganzen Grafschaft statt, wobei die Spezialsuperinten-
denten sich originellerweise selber visitieren mußten (Nr. 29). Der Tübinger Kanzler Jakob Andreä,
der rastlos für das Einigungswerk der Konkordie tätig war, kam nach Hohenlohe, um bei der Neu-
ordnung der völlig zerstrittenen Hohenloher Kirche mitzuwirken und den Melanchthonschüler
(Philippist) Meder auszuschalten. Der Beratung der Visitationsprotokolle (Synodus) und Lehr-
examina der Superintendenten folgte eine Visitation der Hauptstadt Öhringen und ihrer Kirchen-
diener.

Bei der anschließenden Beratung wurden ein Spezialbefehl für Öhringen (Nr. 31), Generalartikel
für die ganze Grafschaft mit Änderungen der Kirchenordnung und Konsistorial-, Visitations-, Ehe-,
Stipendiatenordnungen sowie Ordnungen der Lateinschule und der deutschen Schulen entworfen
(Nr. 32). Das erhaltene Reinkonzept weicht in vielen Fällen von Andreäs Vorschlägen und der als
Vorbild dienenden Sächsischen Ordnung von 1580 ab; durchgeführt werden konnte das umfang-
reiche Ordnungswerk nur in Einzelteilen, besonders da die kirchliche Einheit der Grafschaft sich
aufzulösen begann. Zunächst haben die Öhringer Kirchendiener wie seit alters die Kirchen- und
Schuldiener examiniert, die Kirchendiener ordiniert und die Aufsicht über die Stipendiaten geübt,
auch gaben sieGutachten in schwierigerenEheprozessen ab. Seit etwa 1586 (Langenburger Teilung)
verlagerte sich auch die Kirchenleitung ganz an die Höfe der Teilgrafschaften. Einen wichtigen
Grund dafür bilclete clie Bekenntnisfrage. In der gedruckten Kirchenordnung von 1578 (Nr. 25, Kap.
1) hatte man sich neben den lutherischen Bekenntnisschriften zur Confessio Saxonica uncl den Loci
Communes Melanchthons, nicht aber zur Konkordienformel bekannt, der man eine hohenlohische
,,Privatdeclaration“ entgegengesetzt hatte. Jakob Andreä erreichte 1579 die Unterzeichnung der
Konkordienformel, so daß 1581 das Konkordienbuch eingeführt werden konnte (Nr. 30). Graf Wolf-
gang konnte aber zur lutherischen Abendmahls- und Ubiquitätslehre kein Verhältnis gewinnen und
suchte einen Mittelweg zur calvinistischen Lehre. Der 1582 aus Württemberg als Hofprediger nach
Langenburg gekommene Johannes Assum verweigerte 1584 seinem Grafenwegen Irrlehre Absolution
und Abendmahl. Da man einen Abfall der Grafschaft fürchtete, mußte Andreä wieder vermitteln.
Assum ging auf die theologischen Gedankengänge seines Grafen ein und veröffentlichte in seinem
Auftrag 1590 und 1592 zwei theologische Schriften 41. Auf den „Menschenspiegel“ verpflichtete
Graf Wolfgang 1595 seine Kirchendiener. Ab 1603 ließ er die Pfarrer auf eine ausführliche Bekennt-
nisschrift, die 1605 unter dem Titel ,,Gründlicher Bericht Auß Heyliger Göttlicher Schrifft...“ ge-
druckt wurde 42, statt auf die Konkordienformel vereidigen, clie in der Waldenburger Herrschaft in
Geltung war.

Auch in den Zeremonien neigten clie Grafen Wolfgang und Philipp einfacheren calvinistischen
Formen zu, die Philipp von den Niederlanden her kannte und die in der Hohenlohe benachbarten
Pfalz in Geltung waren. Gleichzeitig wünschte Graf Wolfgang eine genaue Festlegung der gottes-
dienstlichen Handlungen, um ,,Einheitlichkeit“ und ,,Ordnung u zu erzielen.

Schon vor der endgültigen Teilung der Neuensteiner Grafschaft erließ Wolfgang 1585 einen
Befehl wegen der Länge der Predigten und der Zeremonien (Nr. 34). 1587 wurden ausführliche Be-
richte über die im Gottesdienst verwendeten Zeremonien angefordert (Nr. 37). Änderungen oder
Ergänzungen für die ganze Grafschaft Hohenlohe waren aber nicht zu erreichen. Im Februar 1588

41 Spiegel deß Erkenntniß Gottes und Ohristi, an Wesen Willen und Wirckungen in den Mensclien, hie aufF
Erden. Frankfurt a.M. 1590. Menschenspiegel vor und nach dem Fall... Frankfurt a.M. 1592.

42 Bericht von allerley articuln christlicher lehr, wie solche von den predigern der löblichen graveschaft Hohenloe
in rehus et phrasibus... fürgetragen und geübet werden sollen. Handschrift von 1603, PA 93, 4, 5. Druck
Frankfurt 1605 u. d. Titel „Gründlicher Bericht...“ Dazu Adolf Fischer, Corpus doctrinae hohenloicum. Seine
Geschichte und sein Inhalt. In: Jahrbuch f. deutsche Theologie 9 (1864), 482-517.

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2 Sehling, Bd. XV Württemberg I
 
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