55- Kirehenziiclit wegen voreheliclier Beziehungen
vom 3. Dezember 1601
Die Form öffentlicher Abbitte in der gedrnckten Kirchenordnnng 1578, Kap. 12 wurde - wie aus
handschriftlichen Einträgen hervorgeht - über zwei Jahrhunderte lang verwendet, vor allem vor
der Trauung eines Paares mit vorehelichem Verkehr. In Neuenstein benutzte man um 1600 aber
eine abweichende Form. Als Dokument der tatsächlichen Ausübung der Kirchenzucht verdient das
Schriftstück Interesse.
Druckvorlage
Eigenhändiges Schreiben mit Untei’schrift des Neuensteiner Superintendenten Martin Bach an den Döttin-
ger Pfarrer Samuel Schwarz (Nigrinus), PA 115, 3, 3. Doppelbl., 2 Seiten Text. Vermerk: Formula einer kirchen-
disziplin, wie es mit denjenigen gehalten, so vorm kirchgang geschwengert worden.
Ewer schreiben, wegen eines unordenlichen hey-
ratcontracts an mich ergangen, hab ich empfangen
und alles inhalts wol verstanden und füege dem
hern uf begerten bericht hinwiderumb freundlich
zu wißen, das ia in keinen weg solche verlobte per-
sonen, ob gleich die braut eines großen leibs vor der
gemein Gottes, sollen so lang und vil, biß sie zu
dreyen underschiedlichen sonntagen inhalt unßerer
gnädigen herrschaft kirchenordnung 1 offentlich
proclamirt und außgeruffen, copulirt und eingelei-
tet werden. Was auch der herr vogt seines ampts
halben mit ihnen hab vorzunemmen, wird sein son-
derer befehl, so er empfangen wird, gnugsam auß-
weisen 2.
Dieweil auch das unordenlich beyschlaffen allzu
gemein leider werden will, alß hat man sich allhie
verglichen, wenn solche geschwengerte weibsbilder
mit ihren beyschläfern sollen copulirt Averden, das
man vor dem altar ante actum copulationis, wel-
cher actus soll uf einen sonn- oder feyrtag, wenn die
gemein in guter anzal verhanden, fürgenommen wer-
den, zu dem volk (wenn die newe eheleut vor dem
pfarrer stehen) also perorirn:
Lieben freunde in Christo. Gegenwertige newe
eheleut, durch schwacheit ihres sündlichen fleisches
1 KO 1578, S. 291
2 Der für Döttingen zuständige (Burg-)Vogt von
Langenburg soll von der Neuensteiner Kanzlei einen
besonderen Befebl erbalten. In der PolizeiO. 1588,
Nr. 43, § 6 war eine vierzehntägige G-efängnisstrafe
gereitzet und auß arglistigkeit deß Satans betrogen,
haben vor ihrem christlichen kirchgang unorden-
licher, verbottener weise beygeschlaffen, darauf
auch schwängerung erfolgt und also an der gött-
lichen Mayestät, seinen heiligen gebotten, an eußer-
licher christlicher zucht und erbarkeit sich schröck-
lich vergriffen, die gemein Gottes höchlich geärgert,
Gottes und der weltlichen obrigkeit schwern zorn
und straff wol verdienet. Nun aber solche ihre be-
gangene sünd und laster, auch öffentlich der gemein
Gottes gegeben ergernuß, ihnen getrewlich und von
hertzen leid, sie auch der tröstlichen hoffnung und
zuversicht, das Gott, der da reich ist an barm-
hertzigkeit und güte, ihnen solche ihre begangene
siind und mißhandlung alß bußfertiger und glaubi-
gen sündern umb Christi, seines lieben sohns, ver-
diensts willen werde gnedig verzeihen und vergeben,
alß ist ihrer an E.L. 3 christlichs bitten und begern,
für sie den lieben, getrewen Gott umb gnedige ver-
gebung ihrer mißhandlung zu bitten, und dann, das
ihr ihnen solch ihr wider zucht und erbarkeit ge-
geben groß ergernuß auß christlicher lieb und sanft-
mütigem geist wollet vergeben. Sie erbieten sich
hinfüro, mit verleihung göttlicher gnaden in mehrer
forcht Gottes zu wandeln.
oder die öffentliche Abbitte in der Kirche vorgese-
hen.
3 = Euer Liebden, die Anrede der Gemeinde in der
Kirche.
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vom 3. Dezember 1601
Die Form öffentlicher Abbitte in der gedrnckten Kirchenordnnng 1578, Kap. 12 wurde - wie aus
handschriftlichen Einträgen hervorgeht - über zwei Jahrhunderte lang verwendet, vor allem vor
der Trauung eines Paares mit vorehelichem Verkehr. In Neuenstein benutzte man um 1600 aber
eine abweichende Form. Als Dokument der tatsächlichen Ausübung der Kirchenzucht verdient das
Schriftstück Interesse.
Druckvorlage
Eigenhändiges Schreiben mit Untei’schrift des Neuensteiner Superintendenten Martin Bach an den Döttin-
ger Pfarrer Samuel Schwarz (Nigrinus), PA 115, 3, 3. Doppelbl., 2 Seiten Text. Vermerk: Formula einer kirchen-
disziplin, wie es mit denjenigen gehalten, so vorm kirchgang geschwengert worden.
Ewer schreiben, wegen eines unordenlichen hey-
ratcontracts an mich ergangen, hab ich empfangen
und alles inhalts wol verstanden und füege dem
hern uf begerten bericht hinwiderumb freundlich
zu wißen, das ia in keinen weg solche verlobte per-
sonen, ob gleich die braut eines großen leibs vor der
gemein Gottes, sollen so lang und vil, biß sie zu
dreyen underschiedlichen sonntagen inhalt unßerer
gnädigen herrschaft kirchenordnung 1 offentlich
proclamirt und außgeruffen, copulirt und eingelei-
tet werden. Was auch der herr vogt seines ampts
halben mit ihnen hab vorzunemmen, wird sein son-
derer befehl, so er empfangen wird, gnugsam auß-
weisen 2.
Dieweil auch das unordenlich beyschlaffen allzu
gemein leider werden will, alß hat man sich allhie
verglichen, wenn solche geschwengerte weibsbilder
mit ihren beyschläfern sollen copulirt Averden, das
man vor dem altar ante actum copulationis, wel-
cher actus soll uf einen sonn- oder feyrtag, wenn die
gemein in guter anzal verhanden, fürgenommen wer-
den, zu dem volk (wenn die newe eheleut vor dem
pfarrer stehen) also perorirn:
Lieben freunde in Christo. Gegenwertige newe
eheleut, durch schwacheit ihres sündlichen fleisches
1 KO 1578, S. 291
2 Der für Döttingen zuständige (Burg-)Vogt von
Langenburg soll von der Neuensteiner Kanzlei einen
besonderen Befebl erbalten. In der PolizeiO. 1588,
Nr. 43, § 6 war eine vierzehntägige G-efängnisstrafe
gereitzet und auß arglistigkeit deß Satans betrogen,
haben vor ihrem christlichen kirchgang unorden-
licher, verbottener weise beygeschlaffen, darauf
auch schwängerung erfolgt und also an der gött-
lichen Mayestät, seinen heiligen gebotten, an eußer-
licher christlicher zucht und erbarkeit sich schröck-
lich vergriffen, die gemein Gottes höchlich geärgert,
Gottes und der weltlichen obrigkeit schwern zorn
und straff wol verdienet. Nun aber solche ihre be-
gangene sünd und laster, auch öffentlich der gemein
Gottes gegeben ergernuß, ihnen getrewlich und von
hertzen leid, sie auch der tröstlichen hoffnung und
zuversicht, das Gott, der da reich ist an barm-
hertzigkeit und güte, ihnen solche ihre begangene
siind und mißhandlung alß bußfertiger und glaubi-
gen sündern umb Christi, seines lieben sohns, ver-
diensts willen werde gnedig verzeihen und vergeben,
alß ist ihrer an E.L. 3 christlichs bitten und begern,
für sie den lieben, getrewen Gott umb gnedige ver-
gebung ihrer mißhandlung zu bitten, und dann, das
ihr ihnen solch ihr wider zucht und erbarkeit ge-
geben groß ergernuß auß christlicher lieb und sanft-
mütigem geist wollet vergeben. Sie erbieten sich
hinfüro, mit verleihung göttlicher gnaden in mehrer
forcht Gottes zu wandeln.
oder die öffentliche Abbitte in der Kirche vorgese-
hen.
3 = Euer Liebden, die Anrede der Gemeinde in der
Kirche.
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