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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0052
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3. Yermahnungen nnd G-ebete 1544-1550

bürde williglich zu tragen, dem kindlin einen frö-
lichen anblick verleihen und einen frommen, gots-
fürchtigen christen auß im machen, das er zur tauf
gebracht und enthch im christlichen glauben erfun-
den.

Zum vierten, so ist nu auch sonderlich hie von
nöten, das wir die hebammen nach christlicher weiß
auch unterichten, wie sie gesiimet sein und ires be-
ruffs trewhch warten sollen. Dann erstlich solche
weiber nit vergebens weemüter und hebammen ge-
heissen werden, daim sie seind der geburt die ersten
natürlichen helferin und erhalterin nach der rechten
muter. Wann jetzt das kleine kindlin auß muterleib
kommen soll, da sollen sie den schwangern weibern
rechte müter sein, sie nit verlassen, sondern trewen
müterlichen beystand tun in irer not und wee, und
bedenken, warumb sie weemüter heissen.

Darnach zum andern. so heissen sie auch heb-
ammen, das sie das kindlin sollen helfen heben und
helfen bringen auß mutter leib,wie ein rechteamm
oder mutter, auf das sie dem kindlin in solcher angst,
not und zwang müterliche trew beweisen. In dem
aber allen fleissig bedenken, das dise geberende
fraw, wie arm, wie krank, wie veracht und verlassen
sie immer ist vor der welt, das sie dennoch Gottes
liebe tochter ist, dieweil sie ein christin ist, und clas
ir kindlin Gottes edel geschöpf ist, welches er auch
in der tauf zu einem kind Gottes und erben des ewi-
gen lebens aufnehmen wifl. So will sich Gott der
Herr solches alles dermassen annemen und so reich-
flch vergelten als wann man ims selber tete, nach
laut seiner verheissung: Was ir den geringsten auß
den meinen getan habt, das habt ir mir selber getan,
Mat. 25 [40]. Das ist nu ein rechter gotsdienst, der
Gott wolgefellig und angenem ist, das seincl die
rechten guten werk, die eine hebam tun kan. Dar-
umb so sollensie inen 7 keinen schlaff, keinwolleben
und kurtzweil zu lieb lassen sein, wami sie zu den
schwangern frawen erfordert werden.

Ferner zum clritten, so sollen auch die hebammen
vor allen dingen gottsförchtig sein, das sie in all
ihrem beruff und werk stracks auf Gott sehen, ihn
fürchten, vor augen haben und Gott den Herrn in
all ihren gescheften anruffen und zu gehülf nemmen,

7 ihnen = sich.

auf das sie nicht auß vermessenheyt inen selber und
ihrer kunst und geschickligkeyt zu viel vertrawen
und Gott verachten, an das er sie nicht etwa stek-
ken lasse und zu schanden lasse gehen. Wo sie aber
also gotförchtig seind, auf Got sehen und in mehr
fiirchten, dann die menschen, so will sie Gott dar-
gegen widerumb reychlich segnen, woltun, erhalten
und schützen, wie er den gotsförchtigen, hebrey-
schen weemüttern tet in Egypten, da sie Gott mehr
fürchten dann den könig Pharao und wolten der
Hebreer kindlin nach dem befelch des königs wider
Gottes gebott nicht umbringen, Exodi am ersten
[17].

Nun zum vierten, sollen die hebammen trösthch
sein, derhalb Gottes wort fleb haben und gern hören,
auf das sie in der not die verzagten und kleinmüti-
gen schwangern und geberenden frawen trösten und
mit Gottes wort aufrichten können, sintemal nicht
wenig daran gelegen ist, so die hebammen solchen
trawrigen, verzagten weibern zusprechen und trö-
sten können, nemhch, das sie sich getrost auf Got-
tes gnad und hülf verlassen sollen und das sie nit
gedenken, ob schon ire kraft, sterke und hülf dahin
ist und sich alles lässet ansehen, als würde jungs
und altes beyeinander mtissen bleyben, oder da die
jungen weyber gar verzagen, inen selber nicht mer
helfen können, das darumb Gottes hülf auß sey.
Denn solch werk, kinder geberen, ist nicht schlechts
ein menschenwerk, sondern es ist Gottes werk. Der-
halb der Gott und schöpfer, so das kindhn in mutter-
leyb erschaffen, formieret und das leben geben und
bißher ernehret hat, der kan und will auch dassel-
bige kindlin durch seine wunderbarliche kraft auß
mutterleyb an das liecht bringen, wie der heylige
David bekemiet und sagt zu Gott [Ps 22, 10]: Herr,
du, du hast mich auß mutterleyb gezogen. Derselbig
Got hat ihn auch ernehret, da er an seiner mutter
briisten gelegen ist. Dann die fürsichtigkeit Gottes
ist groß, so seind seine werk und hülf unaußspreeh-
lich.

Zum fünften sollen auch die hebammen die ge-
berenden weyber ymmer von allem abgöttischen
vertrawen, glauben und anrüffen abweysen und
nach dem ersten gebott und nach dem andern auf

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