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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0053
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3. Vermahnungen und Gebete 1544-1550

Got richten, das sie Got dem Herren allein von hert-
zen vertrawen wöllen und in jetzt in iren nöten an-
rüffen * * 8, der kindlichen zuversicht, Gott der Herr
werde sie entlich erhören und inen zu hülf kommen,
sie von irem schmertzen erlösen, kraft und gedult
in sehger hoffnung verleyhen, das sie ring und leicht
geberen werden. Dann Gott der Herr spricht im
50. Psalm [15]: Rüffe mich mich an, so will ich dich
erhören, dann ich bin der Herr dein Got, Ex. 20 [2].

Zum sechsten sollen die hebammen auch beyleyb
bey solchem göthchen werk lebendiger monstrant-
zen und heyligtum keine zauberey coder aberglau-
ben c gebrauchen, es seyen ihre krötensegen 9, wie
sie wöllen. Dann man findet wol etliche hebammen,
die so aberglaubisch seind, das sie sich fälschlich
selber bereden, das schwangere d weib könne d nit
gebern, so könne auch das kindlin nit genesen, wo
sie nit solch gauchelwerk und affenspiel treiben.
Darumb so wird Gott der Herr mit solchem aber-
glauben und heidnischem segnen oft schwerlich er-
zürnet, das Gott etwa hernach das kindlin dester
ehe lässet krank werden oder die mutter sambt dem
kindlin gar dahin lässet sterben. Beten sol man,
dann beten ist nit verbotten, doch das es ein christ-
hch und nicht aberglaubisch gebet sey. Aber für das
beten segnen sie 10 und sprechen die seltzamsten
wörtlin, die etwa gestracks wider Gottes wort seind,

Gott sey es geklagt.

Zum siebenden sollen die hebammen alsdann
auch das ihre darzu tun mit helfen, laben, artzneyen
und allerley natürlichen hülf und fürderung, auf daß
das kincüin dester bälder vonstatten gehe. Derhalb
so gehören hieher erfarne und verstendige weemüt-
ter, die etwa gelerter ärtzte und erfarner alten ma-
tronen rat haben und demselbigen nachkommen.

Zum achten sollen auch die hebammen ymmer,
wo es von nöten ist, anhalten und allerley versuchen,

c-c Ab 1561: der aberglaubigen.

d-d Ab 1561: weiber können.

8 Luthers Auslegung zuna 1. und 2. Gebot des Klei-
nen Katechismus (BLSK 507f.).

9 Monstranzen und Heiligtümer enthielten Reliquien-

partikeln und wurden zum Aberglauben verwendet
(HDA 7, 684). Die Verwendung der Kröte zu Zau-

berei und Volksmedizin siehe HDA 5, 611-621. Zmn 12

Aberglauben bei der G-eburt auch TJ. Höhn in: Württ.
Jahrbücher 1909 (1910), 260.

fleyssig und arbeytsam sein, nit schwatzen und fau-
lentzen oder ihren leyb und kraft in höchster not
sparen und entziehen wöllen.

Zum neunten, das die hebammen auch freundlich
und dienstbar seyen, wo man ihres rats und hülf be-
darf und die jüngern, unerfarnen weyber freundlich
auß liebe mit aller sanftmütigkeit vermanen und
ire gebrechen, schwachheyt und krankeyt dulden
und heymlich halten, soviel und sofern solches die
liebe erfordert.

Zum zehenden und letzten sollen auch die lieb-
ammen drob und dran sein, so das kindlin geborn
ist, daß man dasselbige aufs bäldest nach gelegen-
hejff der eltern und des pfarherrs zur heyligen tauf
fördere, damit es in die christliche kirchen eingeleybt
und des reychs Christi vehig werde. Indes sollen
auch die hebammen bey der tauf achtung haben im
auf- und zubinden 11, das die kindlin nicht durch das
langsam umbgehen erkalten und hernach davon
krank werden und etwa grossen schmerzen empfa-
hen, auß hinlässigkeyt, unachtsamkeyt und lieder-
ligkeyt, welches getrewe, fleyssige und behende heb-
ammen alles leychtlich fürkommen 12 können. Gott
der Allmechtig gebe uns und allen christlichen heb-
ammen ein christlich hertz und liebe, solches alles
in das werk zu bringen, durch Christum unsern her-
ren im Heyligen Geyst. Amen.

[Gebete]

[1.] Ein kurtze form und christliche
vermanung zur gemeynen beycht
in öffentlicher predig sambt der
absolution

Dieweyl wir Got den Allmechtigen schwerlich er-
zürnet und seine heylige gebott vielfeltig ubertret-
ten haben, so wöllen wir uns jetzt als arme sünder

10 = Anstatt zu beten, sagen sie Beschwörungen.

11 Luther hefürwortete die Immersionstaufe (Unter-
tauchen) aus theologischen Gründen (Verdeutli-
chung der Wiedergeburt, Bin Sermon von dem Sa-
krament der Taufe 1519, WA 2, 727). Zum Teil
wurden nur Hinterkopf und Schultern eingetaucht
(Leiturgia 5, 393-395); so wurden in Öhringen
Kopf und Brust freigemacht (Nr. 18c, Anm. 8).

= zuvorkommen, vermeiden.

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