Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0074
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. Kirchenordnung 1553

erlangen vergebung der sunden, ware frombkeyt
und das ewig leben, sondern allain und nur zur zir,
reverentz, auch andeutung, furbildung, erinnerung
und anreytzung zu den zwayen oberzelten furnemb-
sten bevelhen und gottesdiensten, hinzugeton und
verordnet etliche nutzliche kirchengepreuch und
ceremonien, Avelche doch alle zeit als res ädidcpoqai
indiferentes, frey gewesen sind, also, wo sie unter-
laßen, nicht sund gewesen, herwiderumb, wo sie
gehalten worden seind, auch fur kein gutt werk bey
Gott verdienstlich geacht worden 14.

Solche kirchenordnungen oder gepreuch sind
zweyerley gewesen. Dan etliche mit singen oder
lesen der psalmen, hymnorum etc. und anderer
lateinischen gesenge, der heyligen gschrift gemeß,
verbracht worden seind, wie dan anfenklich die lie-
ben apostel bey dem abentmal des Herren etliche
psalmen gebraucht haben 15 nach dem exempel
Christi, da er selbs denn lobgesang nach dem abent-
mal gesprochen und zuvor auch Gott gedankt, ge-
lobt und gepreyset hat, Matth. 26 [26-30].

nen, zum andern, das man sy nicht halte fur ein
gottesdienst. Den da stehet das urteil, welches
Christus selbs fellet, Math. ca. 15 [9]: Sie diennen
mir vergeblich mit menschensatzungen. Darumh
sol man solche ordnung und zucht anrichten und
halten als ein ander eusserliches ding, auf das die
gewissen damit nit heschweret werden. Wie Paulus
zun Colossern sagt ca. 2 [16]: Lasset euch niemand
ein gewissen machen uher speyß oder uber trank
oder uber hestimbte feyrtage etc. Sovil von cere-
monien. E.G. werden im jar hinumb mer darvon
hören reden. Mein guttbedunken auch mein mai-
nung von der missa... [siehe unten S.65.] Was die al-
ten vätter und die alt kirch zu zier und zueht der
meß Christi zugeton haben, als da seyen meßge-
wand, christliche geseng und [ge]bett, das will ich
willig und mit allem fleiß halten. Das ist nun mein
meinung von ceremonien und der meß...

14 Res adiaphorai = Adiaphora sind ethisch indif-
ferente „Mitteldinge“, deren Begehung oder Unter-
lassung sittlich gleichgültig erscheint. Luther hatte
in seiner Formula missae et communionis, 1523, die
Freiheit im äußeren Ritus, aber auch dessen Nütz-
lichkeit betont und jede Yerdienstlichkeit vor Gott
abgelehnt (WA 12, 214); entsprechend Vorreden
von Kirchenordnungen. Der Begriff Adiaphora für
die Zeremonien wurde beim Streit um die Durch-
setzung des Leipziger Interims von 1548 (1. Adia-
phoristischer Streit) zwischen Melanchthon und
Flacius (u.a.) verwendet. (RGG 1, 93-96. E.Bizer,

Die ander kirchenordnung aber ist gestanden in
etlichen eußerlichen geberden, schmuck, zierung,
klaydung, ornat etc. 16, damit sie etwan nach dem
exempel Christi mit handuflegung etc. haben den
ainfeltigen und unverstendigen, auch der jugent zu
gut, wollen furbilden und andeuten die gehaymnus,
so bey den sacramenten gehandelt werden 17.

Dieweyl aber die bloße nachvolgung der exempel
etwa ubel geraten und sonderlich wo die raine lehr
gottlichs Avorts nicht mher getrieben wurd, solche
ceremonien in einen großen mißbrauch kommen,
also das man allein uf die bloßen ceremonien und
eußerlichen schein felt und den rechten, waren got-
tesdienst unterlaßet, auch aus den unotigen kirchen-
breuchen einen nottwendigen gottesdienst und opus
operatum, dardurch man Gott versonen und ime
gefellig sein konne, machet, daraus dan res eß-elo-
'&Q'ijazecag 18, cum sacra scriptura manifeste pun-
gnantes, volgen, so soll man das gut behalten und
das böß hinweg tun 19 und abschaffen, dieweyl es
offentlich wider Gottes wort ist.

Reformationsgeschichte 1532 bis 1555. In: Die
Kirche in ihrer Geschichte. Bd. 3, K 67—170, bes.
156f.) Iduberinus hatte in seinen 12 Thesen zum
(Augsburger) Interim ausgeführt, daß man die Zere-
monien annehmen könne, besonders, da das Abend-
mahl unter beiderlei Gestalt zugestanden sei, wenn
die Predigt und der Glaube freigegeben würden
(Wibel 3, CD 343-345). 1553 wird jetzt umgekehrt
die teilweise Abschaflung der Sakramente und
Zeremonien damit begründet, daß sie ,,alle zeit“
frei gewesen seien.

15 Apg 2, 47. Ygl. Eph 5, 19; Kol 3, 16.

lü Es handelt sich hier nicht nur um den gewöhnlichen
Chorrock, sondern um Meßgewänder, um deren Ab-
schaffung Johann Hartmann 1556 kämpfen mußte
(unsere Nr. 9). Ygl. das Auctuarium 1548 (Branden-
burgische Interimsordnung, Sehling 11, 327).

17 Christus gebrauchte die Handauf legung zur Kran-
kenheilung und zum Segnen. Neutestamentliche
Stellen dienten zur Begründung der Sakramente
der Firmung und Ordination. Sacramentmn -
f.ivarrjQiov (Geheimnis).

18 Dominikanische und französische Theologen lehrten
die Heilsnotwendigkeit der Sakramente und die
Wirksamkeit durch deren Vollzug (ex opere operato).
Gegensatz ist hier der frei gewählte, nicht gebotene
Kultus. (Kol 2, 23. Theologisches Wörterbuch zum
Neuen Testament 3. 1938, 159.)

10 1 Thess 5, 21.

58
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften