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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0147
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a. Visitations- und Kirchenordnung 1558

haiß yedes orts, deßgleichen auch gericht und rat,
sich onhe ursache der predig und sacramenten
nicht entziehen, viel wenniger die undertanen uf
sontag vor oder under der predig und kinderlehr
zu sich beschaiden und ir ampt mit inen außrichten,
sonder mit irer gegenwertigkait, dieselbige zu be-
suchen, den undertanen ahi gut exempel geben und
deßhalben allwegen vornen ghen und stheen.

Sie sollen auch niht gestatten, das yemands under
der predig fayl habe oder verkaufe oder schwatz-
mark 70 halte, auf den spielblätzen oder m wirtz-
heusern hege oder sonsten mit her hinleßigkait 71
andern ergernuß geben, sonder sie vermanen, das
sie fleißig zur kirchen kommen und sonderlich he
kmder fleißig zum catechismo furen.

Es were auch gut, das man fur die farleßige und
gotlose hausveter, so ersthch fur sich selbst niht zur
predig ghen, auch hen kindern unter der catechis-
muspredigt uf der gaßen vor den toren im feld umb-
zulaufen gestatten, ain geltstraff durch zwen auf-
seher, von der oberkait geordnet, uferlegt wurde,
und daßelbige den ghorsamen kindern gebe, sie da-
mit zum catechismo zu raitzen, oder das der hailig
yedes orts etwas jerlich darzu gebe 72.

Es solle auch die oberkait aines yedes orts die
ergerliche bildnußen, fahnen, ampeln durch die
mösner hinwegtun und ains nach dem andern
haimhch 11 verheren.

Es soll auch das Ave-Maria-geleut mit drey un-
derschiedlichen zaichen, item wieder das wetter
leuten, wieder reifen, nebel, hitz etc. und ander
dergleichen abergleubig geleut mit vorgehendem
und gnugsame bericht abgeschaft werden 73. Doch
möcht man allwegen, wann ungewitter vorhanden,
ein zaichen leuten, das volk darmit zum gepet zu
vermahnen.

n In A eingefügt.

0 A: noch. ... laße.

70 Schwatz- oder Schnattermarkt, der Weibermarkt,
wo man Schmalz, Eier, Flachs und dergleichen feil
bot, auch bildlich gebraucht (Fischer 5, 1036 f.).

71 liegen = sich länger aufhalten (Grimm 6, 1010);
hinläßigkeit = Leichtfertigkeit (Grimm 4, 2, 145).

72 Zur Durchführung dieses Vorschlags siehe die fol-
gende PolizeiO. 1558 § 1. Der Heilige = das Kir-
chenvermögen.

Es wölle auch die hohe oberkait ain gnedigs
einsehen haben, das der kirchen ire guter niht ent-
zogen, sondern das sie sambt den heusern gehand-
habt und im baw erhalten werden 74.

Es wölle auch die hohe oberkait christliche schu-
len hin und wieder anrichten, dieselbigen mit from-
men, gelerten und trewen dienern besetzen, welche
gotsforcht, gute kunst und zucht in die jugent
pflantzen, in welchen, so sie uferzogen, mit der zeit
zu dem gaistlichem oder weltlichem regiment mö-
gen gebraucht werden.

Es sollen auch die amptleut darob und daran
sein, das dem pfarher sein verordnete besoldung
richtig und unklagbar geraicht werde. Dann das
ist unsers Herren Gots will, das die kirchendiener
sollen erhalten werden, seytenmal er selbst inen ire
underhaltung verordnet, wie im dritten buch Mosi
am 27. cap. und Christus Mathei [10, 10] und Lucse
am 10. cap. [7] spricht: Ain yeder taglöner ist seins
taglohns wirdig. Item Paulus redt hievon weitleufig
in der ersten epistel zun Corinthier am neunten ca-
pitel [7-14],

Wo auch ain kirchendiener mit tod abgieng, solle
die oberkait fursehung tun, das die pfarr mit dem
nechsten nachpawr versehen werd biß ain anderer
angenommen. Und soll darneben die witfraw die
bhausung und bsoldung ain quartal uber das, in
welchem der pfarher gestorben, zum abzug aus
gnaden nießen und geraicht werden. Auch, so der
pfarher in seinem leben sich wolgehalten und aber
arme witfrawen und kinder verlaßen, solle sich die
oberkait dero annemmen, domit sie verpflegt wur-
den an den orten, da sie zu witwen und waisen
gmacht weren worden, auch zu yeder zeit inen gnad
erzaigen und sowol in der visitation nach inen for-
schen laßen 0 als naeh dem pfarher 75.

73 Siehe oben bei Anm. 13.

74 Bei der Visitation 1558 bescbwerte sicb unter ande-
rem der Pfarrer von Pfitzingen, daß der Vogt zu
Waldenburg den Zebnten, der Pfarrer von Etten-
bausen, daß derselbe die Nutzung der Frübmesse
zu Riedbacb eingezogen babe (Wald XV A 21 f.).
Plandhaben = scbützend (aufrecht) erhalten.

75 Ähnlich Württ. KO 1559 (Bl. 91b und 237).

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