Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Franz, Gunther [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0316
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
25. Kirchenordnung 1578

wissentlich ist, gehört hierher nicht nach der regel:
De occultis non iudicat ecclesia, sed Dominus) soll
von den kirchendienern mit solchen lasterhaftigen
menschen nachvolgender proceß gehalten werden:

Erstlich, da der pfarrer erferet, das eins seiner
pfarrkinder mit lastern behaft, soll er dasselbig
durch seinen messner beschicken, es darumb in ge-
heün und bescheidenlich fragen und, es gestehe
solches oder gestehe es nicht, mit Gottes wort trew-
lich darfür warnen und davon abzustehen flehen
und bitten mit bedrowung, da es seiner väterhchen
vermanung nicht volgen wolte, das es nicht allein
von der obrigkeit zeitliche, sondern auch von Gott
ewige straff zu gewarten hette. [42]

Zum andern, da das pfarrkind auf solche ver-
manung und w Tarnung nicht geben wolte, sondern
füre in solchem laster fort, soll der pfarrer seine
collegas, so er deren hette, auch den amptman,
dessen ampts untertan das pfarrkind ist (woanderst
der amptman selbst nicht in dergleichen laster hgt
und ein unchristlicher mann ist), und dann fromme,
gottsförchtige und ehrhche leut auß dem rat, ge-
richt oder die heiligenpfleger * * 7 zu sich nemen, auf
das alle sach in zweyer oder dreyer zeugen mund
bestehe, Matth. 18 [16], und die lasterhaft person
mit flehen und trewhertziger vermanung und war-
nung, vom laster abzustehen, umb der ehre Gottes,
iren eignen heils und der armen kirchen und jugend
willen, so dardurch geergert wird, ansprechen und
bitten. Darzu auch die andern reden und sich alle-
sampt mit worten und geberden gegen der sündigen
person also erzeigen, das man sptiren und sehen mög,
das sie nichts anders, dann des sünders ewdge w rol-
fart und seligkeit suchen.

Zum dritten, da bey dem lasterhaften menschen
weder des pfarrers heimliche, noch der andern brü-
der christliche e sämptliche 8 vermanung nicht statt-
haben 9 will, und es bey der gantzen gemein offenbar
und bewmßt ist, soll der pfarrer solches alles seinem

e Statt ,,brüder christliche“ in D: christlichen brüder.

f D: abgehalten.

7 = Verwalter des Heiligen, des Kirchenvermögens
(Fischer 3, 1357f.).

8 = gemeinsame.

9 = beachtet, befolgt werden (Grimm 10, 2, 1, 983).

verordneten superintendenten 10, unter dessen in-
spection er sitzt, anzeigen, welcher alsbald an den
ort ziehen, diejenigen, so den sünder zuvor haben
helfen vermanen und warnen, und auch andere auß
der gemein, ob sichs also halte, hören. Und da er diß
also lauter oder zweifelhaftig und die kundschaft
ungleich befinden würde, soll er unverlengt die
gantz sach mit sattem bericht und der kundschaft
an das consistorium gehn Oeringew gelangen las-
sen 11, da alsdann ime und dem pfarrer jedesmals ge-
bürender bescheid widerfaren soll, ob das laster
bannmessig und der ergerliche und öffenthche sün-
der von dem christlichen werk der gevatterschaft,
absolution, abendmal und christ[42 b]hchem be-
grebnuß, da er im laster stürbe, abzuhalten 1 und
zu solchem allen on vorgehende öffentliche abbit
nicht mög zugelassen werden oder nicht. Dann
ausser dem generalconsistorio soll keiner niemals in
bann erkant werden.

Dieweyl aber der superintendens und pfarrer kei-
nen weltlichen gewalt haben und oftermalen die leut
und pfarrkinder auf ir begeren nicht vor inen er-
scheinen wöllen, sollen ihnen die amptleut jedes-
mals mit ernst darzu beholfen sein, auch diß christ-
liche werk selbsten helfen handlen und befördern
und che geistlichen personen vor gew ralt beschützen
und handhaben. Hergegen aber wird auch der super-
intendens in der nachfrag und einnemung der
kundschaft bald befinden und an das consistorium
gründlich berichten, ob der pfarrer sein pfarrkind
auß neid oder umb anderer ungebürlicher ursachen
wdllen in bann hab bringen wöllen oder nicht. Wel-
ches, w ro dem also, die hohe obrigkeit unnachlessig
und mit ernst am pfarrer straffen wird.

Letzlichen, da ein christ durch des Teufels und
seines sündlichen fleischs anreitzung in ein öffent-
lich laster gefallen und darmit die kirchen Gottes
geergert hette, were auch dessen bekantlich oder
uberwisen, dardurch er dann ipso facto sich selbsten

10 Trotz Vorläufern (Franz, Kirchenleitung, 68-73)
sind Spezialsuperintendenten erst in der KapitelsO.
1579 (Nr. 26, Kap. 1) eingeführt worden.

11 Es fehlt anscheinend die 3. Vermahnung. Das
(General-)Konsistorium in Öhringen bestand noch
nicht und sollte durch die IvonsistorialO. 1579
(Nr. 27, bes. Kap. 5) näher geregelt w rerden.

298
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften