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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0351
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Vermalmungeri vom Abendmahl

Darnach sem andere, die füren obgemelte ein-
reden von geistlichen gütern, als wann man auß dem
nachtmal kein geisthch gut erholen möcht. Wie
grob aber und unverschemet sie hierinnen die un-
warheit und lügen sagen, werden wir hören, wann
wir vom nutz des nachtmals unterwiesen werden,
nemlich, das uns im nachtmal der ware leib und blut
Christi und die vergebung der sünden und das ewig
leben ubergeben werde zu unserm eigentumb, zur
sterkung unseres glaubens und fürderung unsers
christlichen wandels.

2. Zum andern wenden etlichefür zur entschuldi-
gung ihrer fahrlessigkeit und verseumnus des nacht-
mals, das sie dasselb gar selten oder gar nicht ge-
brauchen, das geschehe darumb, das sie sich sehr
ergern am großen haufen, der das nachtmal miß-
brauchet, mit keiner rechten buß zum tisch des
Herrn komme und sey nach dem gebrauch des nacht-
mals eben so arg oder werde böser dann zuvor. Dise
sollen wissen, wenn sie sich aller der ding wöllen ent-
halten und dieselbigen nicht annemen, die von
gott[209b]losen mißbraucht werden, so dörfen sie
kein leiblich noch geistlich gut brauchen, auch
Gottes sich selbst nicht annemen. Dann die gott-
losen sich solches alles mißbrauchen, als weins,
korns, kleider, der sonnen, des lebens, item der tauf,
absolution, wort Gottes, leidens, marter, sterbens
und aller güter * 11 Gottes. Wir sollen wol merken den
spruch der alten: Der mißbrauch hebt nicht auf das
wesen eines dings, sondern bestettiget es 12. Zum
andern soll ein jeglicher auf sich selbst sehen im ge-
brauch des nachtmals, das ers recht empfahe und
einen andern lassen verantworten, der sich dessel-
ben mißbrauchet, denn ein jeglicher wird sein eigen
last tragen 13 und wird uns nicht schaden, das sich

0 In Langenburger Ex. hs. Zufügung: das verleyh
uns Gott allen. Amen.

Poseidonius und Seneca gebraucht. M. Pellegrino,

II ,topos‘ dello ,status rectus“ nel contesto filosofico
e biblico (A proposito di Ad Diognetum 10, 1-2).
In: Mullus. Festschrift Theodor Klauser. Mün-
ster/W. 1964 (Jahrbuch f. Antike u. Christentum.
Erg. Bd. 1), 273-281. Sherwood O. Dickermann, De
argumentis quibusdam apud Xenophontem, Plato-
nem et Aristotelem obviis e structura hominis et
animalimn petitis. Phil. Diss. Idalle 1909. Prdl.
Hinweis von Herrn Prof. Dr. Hcms Dietrich Alten-
dorf, Zürich.

andere am nachtmal versündigen, wenn nur wir
dasselbig recht, nemlich mit christlicher buß
empfahen, dann wir essen und trinken uns alsdann
das ewig lieil und die ewige seligkeit c.

3. Zum dritten, so enthalten sich etliche des nacht-
mals von wegen des gefasten wohns 14, als were die
empfahung des heiligen leibs und bluts Christi im
abendmal zur seligkeit, ausserhalb der not, unnötig.
Warumb (sagen sie) solt ich das nachtmal empfahen?
Ist es doch unnötig, macht doch uns allem der glaub
an Christum selig, wie das evangelium bezeuget.
Item, die jungen kinder empfahen auch [210] das
nachtmal nicht und werden doch selig. Dieweil ich
dann glaub und bin im namen Christi getauft wie die
kinder, so werde ich selig ohn das nachtmal.

4. Zum vierten sagen etliche: Soll ich das nacht-
mal empfahen, so förcht ich immerzu, ich hab mich
nicht gnugsam gepriiffet, dann ich finde noch sünde
bey mir und weiß nicht, wie lang ich bestehe im
recht tun, so möcht ich durch den mißbrauch des
nachtmals leibliche krankheit, den unzeitigen tod
und das gericht Gottes uber mich bringen, nach der
drowung Pauli, 1. Corinth. 11 [29f.]. Darauf sollen
wir merken:

Erstlich 15 ist es war, das der glaub uns vor Gott
allein, on alles zutun der werk, umb Christi willen
gerecht und selig macht 16, wie wir oft hören, das
dise lehr, durch wichtige und treffliche ursachen 17,
auß Gottes wort gezogen, bestettigt wird. Aber
darauß volgt nit, das darumb der gebrauch des
nachtmals solt unnötig sein und vergeblich, son-
dern vilmehr das widerspil 18. Nemlich ist der glaub
an Christum uns nötig zur gerechtigkeit und selig-
keit, so ist uns auch nötig und nützlich das heilig
nachtmal, dardurch der glaub gemehret, erhalten

11 Hofmann: guttaten.

12 ,,Da gilt die wolbekandte regel: abusus non tollit
substantiam rei, das ist, der misbrauch hebt das
wesen eines dings nicht auf.“ (L. Sandrub, zitiert
Grimrn 6, 2279). Hofmann am Rande: Abusus non
tollit sed confirmat substantiam rei.

13 Hofmann am Rand: Gal 6 [2].

14 Wohn, Nebenform von wahn = (falsche) Meinung
(Grimm 14, 2, 1205).

15 Antwort auf 3. Punkt, 1. Frage.

16 Hofmann am Rande: Rom 3 [28].

17 = ratio, argumentum (Grimm 11, 3, 2508), hier:
Schriftbelege, -stellen.

= Gegenteil.

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