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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0055
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Einleitung

Graf Georg hatte Toussain bei der Einführung der Reformation einen großen Gestaltungsspielraum
gelassen, der sich nach 1542 drastisch verengte, denn in diesem Jahr wurde Georg nach Auseinanderset-
zungen mit Herzog Ulrich seines Statthalteramtes in Mömpelgard enthoben und durch Ulrichs Sohn Chri-
stoph ersetzt. Eng mit diesem personalen Wechsel war die Frage nach der konfessionellen Ausrichtung der
linksrheinischen württembergischen Besitzungen verbunden. Zunächst einmal musste sich der zu diesem
Zeitpunkt noch altgläubige Christoph 1542 im Vertrag von Reichenweier gegenüber seinem Vater verpflich-
ten, die evangelische Religion im Lande beizubehalten. Christoph, der bis 1550 in Mömpelgard regierte,
setzte sich mit den theologischen Fragen der Zeit auseinander und wurde schließlich ebenfalls Anhänger der
evangelischen Lehre. Herzog Ulrich betraute ihn damit, in Mömpelgard die württembergische Kirchenord-
nung von 1536 einzuführen. Christoph schlug in einem Brief an seinen Vater am 17. Oktober 1542 vor, die
Ordnung in die frantzosisch sprach zu transferieren und in den Truckh zustellen, dieselb ordnung jedem pre-
dicantten zugeben und ihnen zu bevelhen, derselbigen gemeß sich zu halten179. Trotz dieses Vorstoßes, die würt-
tembergisch-lutherische Lehre in der Landessprache zu verbreiten, erschien am 7. Oktober 1543 zunächst
eine von Erhard Schnepf angefertigte lateinische Übersetzung der Ordnung180.
Bereits seit Juli 1543 hielt sich der Stuttgarter Hofprediger Johann Engelmann181 in Mömpelgard auf,
um die württembergische Ordnung einzuführen. Seine dogmatische lutherische Haltung führte zu anhal-
tenden Spannungen zwischen Engelmann und Toussain, in deren Folge Toussain Mömpelgard Mitte Juli
1545 verließ182. Die zwinglianisch orientierte Pfarrerschaft widersetzte sich dem lutherischen Einfluss
Engelmanns ebenfalls. Sie wurde hierin vom entmachteten Graf Georg unterstützt183. Der Mömpelgarder
Klerus wollte bestimmte lutherisch geprägte Artikel zur Feier der Marien- und Apostelfeste, zur Nottaufe
durch die Hebammen sowie zum Glockenläuten, die in der ersten, zwinglianischen Kirchenordnung Mat-
thias Erbs von 1538 anders abgefasst waren, nicht anerkennen.

23a. Ordnung der Prädikantenanstellung in Mömpelgard 1545 (Text S. 188)
23b. Eid der Prädikanten in Mömpelgard 1545 (Text S. 189)
23c. Examensartikel für die Mömpelgarder und Blamonter Kirchendiener September 1546 (Text S. 190)
23d. Examensartikel für die Mömpelgarder Kirchendiener November 1552 (Text S. 192)
Die Auseinandersetzung um die Einführung der Kirchenordnung verschärfte sich im Mai 1545, indem die
Geistlichen von der Kanzel gegen die württembergische Kirchenordnung predigten, und Herzog Christoph
die Anstellung zweier zwinglianisch gesinnter Prädikanten untersagte. Als Reaktion auf die Auseinander-
setzung um die Prädikantenanstellung wurde eine Ordnung ausgearbeitet. Diese ist sowohl in einer deut-
schen als auch einer lateinischen Fassung erhalten und umfasst neun Artikel, worin die Prädikanten auf
bestimmte Punkte verpflichtet wurden, die ihre Amtspflichten und ihren Lebenswandel betrafen (Nr. 23a).

179 Archives Nationales Paris, Serie K 1847, zitiert nach
Brendle, Dynastie, S. 289.
180 Ecclesiasticorum rituum et caeremoniarum ducatus Wir-
tembergensis Regula, in usum quorundam parochorum,
germanice nescientium e germanico in latinum versa. Vgl.
Cuno, Daniel Tossanus, S. 10; Röhrich, Mitteilun-
gen I, S. 293. Obwohl bereits seit 1536 auch eine Über-
setzung des Brenzschen Katechismus vorlag, fertigte

Schnepf selbst eine neue Übersetzung davon an, siehe
Weismann, Biblia, S. 141 Anm. 176.
181 Zu Johann Engelmann siehe Bernhardt, Zentralbe-
hörden, S. 259; Pfeilsticker, Dienerbuch I, § 365.
182 Hartmann, Brenz, S. 186f.
183 Zum Widerstand des Mömpelgarder Klerus siehe aus-
führlich Ehmer, Vannius, S. 62-65; Brendle, Dyna-
stie, S. 288-300.

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