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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0065
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Einleitung

Die Einrichtung des Kirchenrats brachte eine starke Zentralisierung und Bürokratisierung der würt-
tembergischen Kirche mit sich, da dem Kirchenrat die Verwaltung der Personalangelegenheiten sowie Prü-
fung und Anstellung der Pfarrer und Lehrer, d.h. die gesamte Stellenbesetzung in Kirche und Schule,
unterstand262.
Der württembergische Kirchenrat war die erste kirchliche Zentralbehörde im protestantischen Deutsch-
land und wurde vorbildlich für die kirchliche Organisation anderer Territorien263. Im Gegensatz zu anderen
Ländern ging der Kirchenrat in Württemberg jedoch nicht aus dem Ehegericht, sondern aus der Visita-
tionskommission hervor, die bereits in den 1530er Jahren bestand264.
Auch das Amt der Superintendenten wurde in Württemberg nach 1551 ausgebildet, wie aus zwei Kon-
zeptfragmenten für Superintendenzordnungen von 1551 und 1553 hervorgeht, auf die die Visitationsord-
nung Bezug nimmt. Es werden vier Generalsuperintendenten - die Prälaten der Klöster Adelberg, Lorch,
Bebenhausen und Maulbronn - mit der Aufsicht und regelmässigen Visitation ihrer Bezirke betraut. Diese
stellten eine Mittelinstanz zwischen dem Kirchenrat und den einzelnen Pfarreien dar. Die Visitationsord-
nung von 1553 konstituierte ferner den Konvent der Generalsuperintendenten mit dem Kirchenrat. Dieser
lässt sich jedoch ebenfalls bereits 1551 nachweisen, so dass die Visitationsordnung eine bereits bestehende
Praxis festschrieb265. Die Ordnung wurde unverzüglich umgesetzt und noch im Jahr ihres Erscheinens fand
eine erste Zusammenkunft der Generalsuperintendenten statt266.

34. Mandat zur Abschaffung von Feld- und zum Erhalt von Predigtkirchen 6. Dezember 1555 (Text S. 292)
35. Mandat zur Abschaffung von Monstranzen, Weihwassersteinen u.a. 6. Dezember 1555 (Text S. 293)
Während des Interims hatten sich zahlreiche altgläubige Praktiken in der Bevölkerung ausgebreitet, wozu
auch die Durchführung von Wallfahrten gehörte. Seit 1554 beriet man wieder über den Abbruch von
Wallfahrtskirchen267. In dem an die Visitationsräte268 gerichteten Mandat berief sich Herzog Christoph auf
eine Anweisung, die ein halbes Jahr zuvor ergangen war, worin er bereits den Abriss von Feldkirchen, die
nicht der Predigt dienten, gefordert hatte269. Bei dem erwähnten früheren Befehl handelt es sich vermutlich
um das Mandat vom 7. Mai 1555, das an den Visitationsrat Sebastian Hornmold gerichtet war und in dem
festgestellt wurde, dass im Lande immer noch zahlreiche „Feldgötzen“ und Michaelskapellen - Wallfahrts-
kirchen ohne Pfarrrechte - bestünden, bei denen altgläubige Zeremonien vollzogen würden. Der Kirchenrat
sollte dafür sorgen, dass diese Bildstöcke und Kapellen abgebrochen würden. Sebastian Hornmold - der
Kirchenratsdirektor - antwortete dem Herzog am 14. Mai 1555, dass er entsprechende Berichte über die
Feldkirchen angefordert habe, und sandte am 16. Mai seine Stellungnahme zu den eingegangenen Berichten
an den Herzog270. Christoph antwortete noch am selben Tag, dass Spitäler oder Siechenhäuser, denen es an
Baumaterial mangele, die Kapellen abbrechen und das Baumaterial für ihre Zwecke verwenden dürften.
Der Abbruch sollte also nicht sofort und radikal erfolgen, sondern langsam nach und nach.

tionsgeschichte, S. 318ff.; Schoss, Konsistorien,
S. 255-257; Ehmer, Vannius, S. 128-132; ders., Würt-
temberg, S. 179; Matthes, 10 Briefe, S. 150ff., 155-161,
206-209. Zum Kirchenrat siehe Bernhardt, Zentral-
behörden, S. 50-64; Wintterlin, Behördenorganisa-
tion, S. 41ff.; Rauscher, Reformationsgeschichte,
S. 191.
262 Rückert, Kirchenordnung, S. 260f.; Bernhardt,
Zentralbehörden, S. 52f.
263 Brendle, Christoph, S. 110.

264 Siehe Nr. 10, 16.
265 Vgl. Ehmer, Vannius, S. 132; Lempp, Synodus,
S. 22-29.
266 Lempp, Synodus, S. 30f.
267 Schahl, Feldkirchen, S. 21-41, bes. S. 26ff.
268 Vgl. Kugler, Christoph I, S. 327 Anm. 9.
269 Vgl. Ernst, Briefwechsel III, Nr. 200 S. 365; Ehmer,
Bildergespräch, S. 89; Kugler, Christoph I, S. 327.
270 Schahl, Feldkirchen, S. 23, 25.

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