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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0077
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Einleitung

Während die kirchliche Visitation regelmäßig durchgeführt wurde, sind von der politischen lediglich
Ansätze bekannt: 1562 hatte ein Hagelunwetter weite Teile der Ernte im Land vernichtet, so dass eine
Aufnahme der Schäden erforderlich war358. Zwischen 1562 und 1564 wurde daher eine außerordentliche
Visitation durchgeführt, die als politische Visitation im Sinne der Großen Kirchenordnung von 1559 gelten
kann.

42f. Landinspektion 1559 (Text S. 399)
Die Ordnung der Landinspektion knüpft inhaltlich an die Visitationsordnung von 1557 (Nr. 40) an. Ebenso
wie in dieser sollte auch 1559 ein Dreiergremium, bestehend aus einer Person aus dem Adel, einer aus dem
Kirchenrat sowie einem Theologen, für jeden der beiden Visitationssprengel im Norden und Süden des
Herzogtums gebildet werden. Diese Kommissionen sollte 1559 jedoch nur auf außerordentlichen Anlass hin
zusammentreten. Sie erhielten unbeschränkte Vollmacht für kirchliche wie politische Belange; lediglich die
schweren Fälle sollten zur Entscheidung an Landhofmeister, Kanzler und Kirchenräte abgetreten wer-
den359.

42g. Ordnung der Kirchenzensur 1559 (Text S. 404)
Die Ordnung der Kirchenzensur steht im Zusammenhang mit Herzog Christophs Plan, eine Kirchenzucht-
ordnung für das Herzogtum zu erlassen. Einen Vorschlag hierzu hatten ihm bereits 1554 zwei Geistliche
gemacht: In jeder Gemeinde sollten sechs bis acht Personen damit beauftragt werden, ergerliche Sünder und
Mißhandler zu exkommunizieren. Diese Idee einer von den Gemeinden ausgeführten Kirchenzucht ent-
stammte der schweizerischen Kirchenpraxis und wurde in Württemberg von Jakob Andreä und seinem
calvinistisch beeinflussten Schwager, dem Nürtinger Pfarrer Kaspar Lyser360, unterstützt. Herzog Chri-
stoph lehnte dieses Ansinnen jedoch zunächst ab, weil er fürchtete, dass es sein straffes landesherrliches
Kirchenregiment untergraben könnte361.
Als aber Herzog Wolfgang von Zweibrücken die 1539 von Johann Schwebel verfasste, ähnlich angelegte
Kirchenzuchtordnung verschärfte und 1557 in seine Kirchenordnung aufnahm, kam auch Herzog Christoph
auf den Plan einer solchen Ordnung zurück362. Brenz widersprach jedoch und verwies auf die ausreichenden
Bestimmungen der Landesordnung. Christoph ließ dennoch eine Zensurordnung ausarbeiten, die 1559
schließlich Aufnahme in die Große Kirchenordnung fand. Anleihen an diese Kirchenzuchtordnung finden
sich auch im Abschnitt Was den Superintendenten nach gehaltner Inquisition ferners gebüre zuhandlen inner-
halb der Visitationsordnung für die Superintendenten (Nr. 42d).
Die Ordnung der Kirchenzensur behandelt die Exkommunikation einzelner Personen sowie den Umgang
mit diesen363. Die weltlichen Beamten zeigten jedoch Widerwillen gegen diese Praxis, und es scheint nicht
gelungen zu sein, die Bestimmungen dieser Ordnung weiträumig umzusetzen.

358 Maurer, Utopie, S. 112ff., 119.
359 Vgl. Lempp, Synodus, S. 40.
360 Zu Kaspar Lyser siehe S. 58 Anm. 350.
361 Die Verhandlungen um die Kirchenzuchtordnung refe-
riert Matthes, 10 Briefe, S. 124-132, 169-253.

362 Matthes, 10 Briefe, S. 124-132, 169-206; Kugler,
Christoph II, S. 605ff.
363 Vgl. Matthes, 10 Briefe, S. 164-169; Lempp, Synodus,
S. 40.

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