Einleitung
7. Mandat zur Eheschließung Minderjähriger, vor 5. April 1531 (Text S. 383)
8. Zuchtordnung 5. April 1531 (Text S. 384)
Innenpolitisch stellte der Auszug der altgläubigen Geistlichkeit zwar einen Glücksfall, außenpolitisch
jedoch ein Problem dar, denn die Stadt sah sich jetzt nicht nur dem Kaiser, sondern auch dem Bischof als
Gegner gegenüber. Konstanz lehnte sich folglich stärker an die Eidgenossenschaft, vornehmlich an Zürich,
an, die Stadt, mit der man sich in der Ausrichtung des Glaubens einig wusste.102 1529 gehörte Konstanz zu
den protestierenden Reichsständen auf dem Speyerer Reichstag und am 27. Februar 1531 zu den Erst-
unterzeichnern des Schmalkaldischen Bundes.103 Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 unterschrieb
Konstanz zusammen mit Memmingen, Lindau und Straßburg die von Martin Bucer verfasste Confessio
Tetrapolitana.104 Damit distanzierte sich die Reichsstadt offiziell von der Confessio Augustana105 und
zugleich auch von der überwiegenden Mehrzahl der evangelischen Reichsstände, die dem Augsburger
Bekenntnis anhingen.
Die Sittenzucht war ein wichtiges Element der zwinglianisch orientierten Reformation in oberdeutsch-
schweizerischen Städten, allen voran in Zürich und Basel.106 Sie basierte auf dem charakteristischen Gedan-
ken der „Heiligung“, d.h. dem bewussten Willen zur Erneuerung von Kirche und Gesellschaft, der sich in
dem Bemiihen um bessere Sitte und Moral auswirkte.107 Bereits vor Einführung der Reformation hatte der
Konstanzer Rat sich verstärkt sittenpolizeilicher Aufgaben angenommen und zahlreiche dahingehende
Bestimmungen erlassen.108 Mit dem Reformationsratschlag von 1524 (Nr. 1) und dem Mandat gegen Ehe-
bruch und Hurerei von 1527 (Nr. 2b) setzte er seine Bemiihungen - bestärkt von Ambrosius Blarer, Johan-
nes Zwick und Bartholomäus Metzier - fort.109
Der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Konstanzer Zuchtordnung erfolgte auf dem Schmalkal-
dener Bundestag im Dezember 1530. Nürnberg und Brandenburg-Ansbach hatten beantragt, sich mit den
oberdeutschen Bündnispartnern über eine Vereinheitlichung der Gottesdienstzeremonien, Maßnahmen
gegen die Täufer sowie die Abfassung einer gemeinsamen Zuchtordnung zu verständigen. Zur Klärung der
eigenen Position gegenüber den Lutheranern kamen zwischen dem 26. Februar und dem 1. März 1531 die
Vertreter der Städte Ulm, Memmingen, Lindau, Biberach, Isny und Konstanz in Memmingen zusammen.
Das Ergebnis dieser Beratungen wurde in den Memminger Artikeln110 niedergelegt, deren Haupturheber
Konstanz war. Die Konstanzer Zuchtordnung, die vom großen und kleinen Rat am 5. April 1531 verab-
schiedet, am 10. April den Zünften verlesen und am 16. April der gesamten Stadtbevölkerung von der
Münsterkanzel verkündet wurde,111 stellt im Wesentlichen eine Übernahme der Memminger Artikel
102 Dobras, Konstanz, S. 62.
103 Rublack, Außenpolitik, S. 67f.; Dobras, Ratsregi-
ment, S. 44 Anm. 100; Buck/Fabian, Reformationsge-
schichte, S. 336-343. Zur Belastung der reichsstädti-
schen Finanzen durch den Schmalkaldischen Bund siehe
Heuschen, Reformation, S. 124-158.
104 Abdruck der Confessio Tetrapolitana bei: Bucer, Deut-
sche Schriften 3, S. 34-185. Moeller, Zwick, S. 112f.;
Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 336-343.
Für den Augsburger Reichstag von 1530 hatte der Rat
ein eigenes Bekenntnis verfassen lassen, das wahrschein-
lich von Ambrosius Blarer stammt, vgl. Ficker,
Bekenntnis, S. 243-297, Abdruck ebd., S. 245-249; vgl.
Dobras, Ratsregiment, S. 44.
105 Confessio Augustana 1530, BSLK S. 139-404.
106 Siehe oben, S. 338; vgl. Buck/Fabian, Reformations-
geschichte.
107 Dobras, Ratsregiment, S. 15.
108 Ebd., S. 165-168; ders., Konstanz, S. 90-95; ders., Sit-
tenzucht, S. 75-80; Maurer, Konstanz 1, S. 274-276.
109 Vgl. Hauss, Zuchtordnung, S. 20-22; Moeller, Zwick,
S. 132.
110 Vgl. Dobras, Ratsregiment, S. 324-331; Vögeli,
Schriften II/II, S. 1305f.; Buck/Fabian, Reformations-
geschichte, S. 152.
111 Vögeli, Schriften I, S. 560; Moeller, Zwick, S. 133;
Gregor Mangolt: Im Jare 1531 uff den 5. Aprilis ward zu
Costantz vor klainen und großen Räthen angenommen und
uffgericht und verlesen die neue Zuchtordnung, darin uffs
höchst verbotten ward Meß hören, schweren, spilen, tantzen,
zutrincken und anderes. Darnach uff 10. Aprilis ward sy
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7. Mandat zur Eheschließung Minderjähriger, vor 5. April 1531 (Text S. 383)
8. Zuchtordnung 5. April 1531 (Text S. 384)
Innenpolitisch stellte der Auszug der altgläubigen Geistlichkeit zwar einen Glücksfall, außenpolitisch
jedoch ein Problem dar, denn die Stadt sah sich jetzt nicht nur dem Kaiser, sondern auch dem Bischof als
Gegner gegenüber. Konstanz lehnte sich folglich stärker an die Eidgenossenschaft, vornehmlich an Zürich,
an, die Stadt, mit der man sich in der Ausrichtung des Glaubens einig wusste.102 1529 gehörte Konstanz zu
den protestierenden Reichsständen auf dem Speyerer Reichstag und am 27. Februar 1531 zu den Erst-
unterzeichnern des Schmalkaldischen Bundes.103 Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 unterschrieb
Konstanz zusammen mit Memmingen, Lindau und Straßburg die von Martin Bucer verfasste Confessio
Tetrapolitana.104 Damit distanzierte sich die Reichsstadt offiziell von der Confessio Augustana105 und
zugleich auch von der überwiegenden Mehrzahl der evangelischen Reichsstände, die dem Augsburger
Bekenntnis anhingen.
Die Sittenzucht war ein wichtiges Element der zwinglianisch orientierten Reformation in oberdeutsch-
schweizerischen Städten, allen voran in Zürich und Basel.106 Sie basierte auf dem charakteristischen Gedan-
ken der „Heiligung“, d.h. dem bewussten Willen zur Erneuerung von Kirche und Gesellschaft, der sich in
dem Bemiihen um bessere Sitte und Moral auswirkte.107 Bereits vor Einführung der Reformation hatte der
Konstanzer Rat sich verstärkt sittenpolizeilicher Aufgaben angenommen und zahlreiche dahingehende
Bestimmungen erlassen.108 Mit dem Reformationsratschlag von 1524 (Nr. 1) und dem Mandat gegen Ehe-
bruch und Hurerei von 1527 (Nr. 2b) setzte er seine Bemiihungen - bestärkt von Ambrosius Blarer, Johan-
nes Zwick und Bartholomäus Metzier - fort.109
Der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Konstanzer Zuchtordnung erfolgte auf dem Schmalkal-
dener Bundestag im Dezember 1530. Nürnberg und Brandenburg-Ansbach hatten beantragt, sich mit den
oberdeutschen Bündnispartnern über eine Vereinheitlichung der Gottesdienstzeremonien, Maßnahmen
gegen die Täufer sowie die Abfassung einer gemeinsamen Zuchtordnung zu verständigen. Zur Klärung der
eigenen Position gegenüber den Lutheranern kamen zwischen dem 26. Februar und dem 1. März 1531 die
Vertreter der Städte Ulm, Memmingen, Lindau, Biberach, Isny und Konstanz in Memmingen zusammen.
Das Ergebnis dieser Beratungen wurde in den Memminger Artikeln110 niedergelegt, deren Haupturheber
Konstanz war. Die Konstanzer Zuchtordnung, die vom großen und kleinen Rat am 5. April 1531 verab-
schiedet, am 10. April den Zünften verlesen und am 16. April der gesamten Stadtbevölkerung von der
Münsterkanzel verkündet wurde,111 stellt im Wesentlichen eine Übernahme der Memminger Artikel
102 Dobras, Konstanz, S. 62.
103 Rublack, Außenpolitik, S. 67f.; Dobras, Ratsregi-
ment, S. 44 Anm. 100; Buck/Fabian, Reformationsge-
schichte, S. 336-343. Zur Belastung der reichsstädti-
schen Finanzen durch den Schmalkaldischen Bund siehe
Heuschen, Reformation, S. 124-158.
104 Abdruck der Confessio Tetrapolitana bei: Bucer, Deut-
sche Schriften 3, S. 34-185. Moeller, Zwick, S. 112f.;
Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 336-343.
Für den Augsburger Reichstag von 1530 hatte der Rat
ein eigenes Bekenntnis verfassen lassen, das wahrschein-
lich von Ambrosius Blarer stammt, vgl. Ficker,
Bekenntnis, S. 243-297, Abdruck ebd., S. 245-249; vgl.
Dobras, Ratsregiment, S. 44.
105 Confessio Augustana 1530, BSLK S. 139-404.
106 Siehe oben, S. 338; vgl. Buck/Fabian, Reformations-
geschichte.
107 Dobras, Ratsregiment, S. 15.
108 Ebd., S. 165-168; ders., Konstanz, S. 90-95; ders., Sit-
tenzucht, S. 75-80; Maurer, Konstanz 1, S. 274-276.
109 Vgl. Hauss, Zuchtordnung, S. 20-22; Moeller, Zwick,
S. 132.
110 Vgl. Dobras, Ratsregiment, S. 324-331; Vögeli,
Schriften II/II, S. 1305f.; Buck/Fabian, Reformations-
geschichte, S. 152.
111 Vögeli, Schriften I, S. 560; Moeller, Zwick, S. 133;
Gregor Mangolt: Im Jare 1531 uff den 5. Aprilis ward zu
Costantz vor klainen und großen Räthen angenommen und
uffgericht und verlesen die neue Zuchtordnung, darin uffs
höchst verbotten ward Meß hören, schweren, spilen, tantzen,
zutrincken und anderes. Darnach uff 10. Aprilis ward sy
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