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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0139
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Einleitung

Gedruckt wurde das Werk offenbar bei Jakob Schmidt in Speyer, der in diesen Jahren einige reforma-
torische Werke herausbrachte, darunter auch etliche im Auftrag der Stadt Worms.22
Der Vorbereitungs- und der Abendmahlsteil dieses Messformulars ist eng mit der Nördlinger Messe von
Kaspar Kantz von 1522 verwandt.23 Im Vorbereitungsteil ist allerdings die Reihenfolge der beiden Teile
Anrufung des Heiligen Geistes mit anschließender Collecte einerseits und Beichte und Absolution anderer-
seits vertauscht.24
Im Abendmahlsteil weicht die Wormser Messe von praktisch allen reformatorischen Messordnungen der
Zeit dahingehend ab, dass sie eine im evangelischen Sinne gereinigte deutsche Fassung der römischen
Kanongebete einfügt.25 Hier kann die im Vorwort genannte Straßburger Gottesdienstordnung (eingeführt
1523, gedruckt ebenfalls 1524)26 Vorbild gewesen sein, deren Umformulierungen des Messkanons allerdings
viel weiter gehen als die Wormser.27
Kammer und Brunner vermuten, dass es zu dieser deutschen evangelischen Messe eine lateinische Vor-
form gegeben habe,28 die, ähnlich wie Luthers Formula Missae, ebenfalls schon in reformatorischem Sinne
gereinigte Formen der Gebete enthalten habe - vielleicht dienten sogar die Anweisung in Luthers Formula
Missae selbst als Vorlage.29
Dieses extrem behutsame Vorgehen und die sehr „konservative“30 Grundhaltung der Wormser Deut-
schen Messe mag wiederum mit der schon öfter angesprochenen besonderen Lage der Wormser Evangeli-
schen in ihrem unmittelbaren Gegenüber zum Bischof begründet sein.
Eine ausführliche liturgiegeschichtliche Analyse der Wormser Messe bietet Brunner.31
Mit den Schwierigkeiten der nächsten Jahre kam diese Wormser Tradition aber offenbar sehr bald schon
zum Erliegen. Diese Krise der Reformation in Worms wurde durch den Bauernkrieg ausgelöst und durch die
nachfolgenden Auseinandersetzungen mit den Täufern verschärft.

2. Bauernkrieg und Bürgeraufstand 1525
Während des Bauernkrieges versuchte der Rat der Stadt, die für Bischof, Hochstift und Geistlichkeit sehr
prekäre Lage zu seinen Gunsten zu nutzen und die nachteiligen Bestimmungen aus der Rachtung von 1519
zu tilgen. Ähnlich wie in Speyer kam es in Worms nicht zu einem Zusammenwirken der Bürger oder des
Magistrates mit dem aufständischen Bauernheer.32 Im Gegenteil wirken manche der Abmachungen und

22 Vgl. Brunner, Wormser Messe, S. 108; Benzing,
Buchdrucker, S. 423f.
23 Vgl. Smend, Messen, S. 72-78.
24 Vgl. Sehling, EKO XI, S. 19 und 51-57. Im weiteren
Verlauf unterscheiden sich die beiden Formulare dann:
So erwähnt Döber ausdrücklich Halleluja und Graduale
als Zwischengesänge zu den Lesungen; dafür ist er im
Abendmahlsteil wesentlich schlichter und lässt z.B. alle
Kanongebete weg; vgl. Sehling, EKO XI, 51-55.
25 Die bekannten Entwürfe von Kantz, Karlstadt, Luther,
Müntzer und Döber (in Nürnberg) lassen den Canon
Missae einfach weg, vgl. Smend, Messen, S. 75, 103,
131, 167. Einen genauen Vergleich der lateinischen Vor-
lage mit der Wormser Fassung bei Brunner, Wormser
Messe, S. 149f.
26 Handschriftlich im Thomas-Archiv Straßburg 1 AST 80
Nr. 2, gedruckt VD 16

27 Eine ähnlich freie Behandlung des Canon hatte schon
Oekolampad in seinem Testament Jesu Christi vorgenom-
men (gedruckt 1523 (vgl. Smend, Messen, S. 51-57),
vielleicht zurückgehend auf seine ersten Experimente
mit deutschen Messen 1522 auf der Ebernburg, vgl.
Jung, Geschichte, S. 6-9).
28 Womit vielleicht die schon 1523 von Spalatin angespro-
chenen korrigierten Ceremonien des Andreasstiftes
gemeint sein können, vgl. oben Fußnote 17. Vgl. Brun-
ner, Wormser Messe, S. 124. Kammer, Anfänge, S, 22.
29 Brunner, Wormser Messe, S. 118.
30 Brunner, Wormser Messe, S. 121.
31 Vgl. Brunner, Wormser Messe, S. 126-161.
32 Vgl. Alter, Bauernkrieg, S. 1387, Todt, Kleruskritik,
S. 284f.

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