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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0284
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Leiningen-Westerburg

Und dieweil das Sacrament des Nachtmals von un-
serm Herrn dahin gemeint und geordnet ist, daß
durch desselbigen niessung das blöd, zaghafft ge-
|75r| wissen in rechtem glauben und vertrauwen ge-
stercket werde, Und aber der kranck in ansehung,
daß er durch schwacheit des glaubens vielfaltig ge-
reitzt und inn allerley anfechtung gezogen würt, der
sterckung des glaubens fast nottürfftig ist, so sol er
auch auff sein Christlich gebürlich beger und be-
kantnuß seiner sünden, auch glaubens inn Jesum
Christum, mit dem Sacrament des Nachtmals ver-
sehen werden.
Dann wiewol das Nachtmal fürnemlich inn gemei-
ner versamlung der Kirchen zuhalten ist, Jedoch
dieweil Christus spricht Matth. 18: Wo zween oder
drey inn meinem Namen zusammen kommen, da
bin ich mitten unter inen.151 So gibt er hiemit zu
verstehen, daß auch ein Kirch Christi sey, wo sich
ein Kirchendiener und krancker im namen Christi
bey einander finden. So ist der kranck, der warhaff-
tig an Christum glaubt, nicht weniger ein glidChris-
ti und der Kirchen dann ein gesunder, hat auch sein
gerechtigkeit zu den gütern der Christlichen Kir-
chen, unter wölchen das Sacrament des Nachtmals
nicht das geringste ist, eben als wol als die gesunden.
Darumb sol im das Nachtmal auff sein gebürlich
begeren keines weges abgeschlagen werden.
Es sol aber der Pfarherr die Leut vermahnen, daß
sie inn irer kranckheit mit dem begeren des Sacra-
ments nicht biß auff die letzte not verziehen, son-
dern sich bey zeit lassen anzeigen, damit sie zuvor
verhört, unterricht und getröstet werden mögen.
So nun der Kirchendiener auff die unterrichtung,
bekantnuß der sünden und Absolution, wie oben
vermeldet (wölches ein tag, so es gesein mag, oder
auffs wenigst etliche stunden vor der entpfahung
des Nachtmals mit dem krancken verrichtet werden
sol) das Nachtmal bey dem krancken zuhalten für-
nimbt, sol er |75v| auff nachfolgende form mit dem
krancken handlen und sprechen:
151 Mt 18,20.
152 Etwas, vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2035.

Lieber freund, weil euch unser Herr Gott mit schwa-
cheit euwers leibs heimgesucht, damit ir es Gottes
willen heimstellet, solt ir wissen.
Zum Ersten, Daß solche unsere leibs kranckheit uns
von Gott, dem Herren, umb keiner anderen ursach,
dann allein umb der sünden willen zugeschicket
würt unnd daß die Erbsünde, wölche von Adam auff
uns geerbt, den Tod unnd alles, was inn des Todes
reich gehört, als gebrechen, kranckheit, elend, jam-
mer etc., mit sich bringt. Dann wo wir ohne sünd
bliben, so het weder der Todt noch vil weniger ei-
nicherley kranckheit an uns ichts152 schaffen mögen.
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Zum Andern. Damit wir aber in unsern sünden,
kranckheit und allerley anfechtung, auch des Todes
angst und not, nicht verzweiflen müssen, so lehret
uns das heilig Evangelium, daß uns Christus, Gottes
Son, von der sünden loß und selig machen wil, so wir
glauben an seine verheissung.
Und solches geschicht auff zweyerley weiß: Erst-
lich, daß er uns hie auff erden durch das Evangelion
und die heiligen Sacrament unsere hertzen und ge-
wissen reinige. Act. 15: Er hat ire hertzen gereiniget
durch den Glauben.153 Zum Andern, Wann aber un-
sere gewissen der gestalt von sünden gereiniget unnd
mit Gott, dem Vatter, durch den Glauben versönet
sindt, |76v | muß auch die sünde auß unserer natur
und wesen außgefeget und vertilget unnd wir endt-
lich von allen sünden gereiniget und in Göttlicher
gerechtigkeit und reinigkeit volkommen werden, da-
mit wir mit Gott ewig leben sollen.
Zum Dritten. Damit nun solches geschehe unnd inn
uns volbracht werde, so schickt uns unser lieber
Herr Gott kranckheit, ja auch den Todt zu, nicht
der meinung, daß er mit uns zürne und uns verder-
ben wölle, sonder auß grossen gnaden, daß er uns in
diesem leben zu warer Buß und glauben treibe und
endtlich auß der sünden, darinnnen wir noch stek-
ken, unnd auß allem ungluck, beyde, |77r| Leiblich
unnd Geistlich, frey machen wil, wie solches die hei-
153 Apg 15,9.

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