Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

13. Kirchenordnung 1590

Christus spricht: Bettet, daß ihr nicht in Versu-
chung fallet.145 Und S. Petrus spricht: Seyt nüchtern
und wachet, dann euwer Widersacher, der Teuffel,
gehet umbher wie ein brüllender Löwe und suchet,
welchen er verschlingen möge. Diesem solt ihr fes-
tiglich Widerstandt thun im Glauben.146
Darumb bedencket euwere Fährligkeit, seyt vor-
sichtig und nicht freffel und wilde. Darbey wisset
auch, daß Menschlicher Fleiß allein zu schwach ist,
sondern daß Gottes Will ist, daß ihr im täglichen
Gebett Gott ernstlichen anruffet, daß er euch und
die euwerigen gnädig wöll bewahren und regieren
umb deß Herrn Christi willen. Wie der Herr Chris-
tus beydes spricht: Ohne mich vermoget ir nichts zu
thun.147 Item: Bittet, so wirt euch gegeben.148
Zum andern solt ihr wissen, daß gewißlich nach
Ehebruch und andern offentlichen Sünden ewige
Straffen in denen folgen, die sich nicht bekehren,
darzu kommen auch leibliche Straffen in diesem Le-
ben uber solche Sünder und werden offt mit inen
|131| Landt und Leut gestrafft. Dann also steht ge-
schrieben: Hürer und Ehebrecher wirdt Gott rich-
ten.149 Item: Wer das Schwerdt nimpt, wirdt mit
dem Schwerdt umbkommen.150 Diese Göttliche Be-
trachtung von folgender Straff solt ir nicht gering
achten, dann ir sehet, daß Davids Ehebruch eine
grosse Straff uber das gantze Konigreich brach-
te.151
Darbey solt ir aber auch zum dritten betrachten,
daß Gott die ewige Straff gantz hinweg nemme von
denen, die bekehret werden, daß er auch denselben
Bekehrten die zeitliche Straff lindern wölle, wie er
David und Manasse die Straff linderte.152 Und wie
geschrieben steht: Bekehret euch zu mir, so wil ich
mich auch zu euch wenden.153 Item: So euwere Sün-
den euch Blutrot machen, so ihr euch bekehret,

145 Mk 14,38.
146 1Petr 5,8.
147 Joh 15,5.
148 Mt 7,7.
149 Hebr 13,4.
150 Mt 26,52.
151 2Sam 12,10,

solt ihr doch widerumb weiß werden wie der
Schnee.154
Dieses solt ihr allhie auch betrachten, solt euch
zu Gott bekehren, Vergebung der Sünden und Er-
lassung ewiger Straff durch den Glauben an en
Herrn Christum empfahen und bitten umb Linde-
rung zeitlicher Straffen euch, euweren Kindern,
Landen und Leuten. Und solt die Exempel Adams,
Evae,155 Aaronis,156 Davidis,107 Manasse158 und der-
gleichen offt mit Ernst betrachten und euch selbst
zur |132| Bekehrung, Stärckung deß Glaubens und
zum Gebett erwecken, darzu wölle der allmächtige
Gott durch seinen lieben Sohn Jesum Christum euch
seinen heyligen Geist geben und wölle ihm gnädig-
lich allzeit ein ewige Kirch sammlen und erhalten zu
seinem Lobe. Amen.
Letztlich, weil diese gefallene Person von ihrem Fall
widerumb auffgestanden, sich zu Gott bekehret und
deß gegebenen Ergerniß halber sich mit der Christ-
lichen Gemein offentlich widerumb versöhnet hat,
So solt ihr als Gliedmassen der Christlichen Kirchen
ihr solche ihre offentliche, gepflogene Busse für un-
ehrlich nicht auffrücken noch vorwerffen, sondern
vielmehr dem lieben Gott dancksagen, daß er sie
zum Erkändtniß ihrer Sünde und zu der christlichen
Busse gebracht hat. Da aber solches jemand zu thun
sich unterstehn würde, der oder dieselbige sollen als
offentliche Lästerer Gottes und seiner Ordnung mit
dem Bann auch von unserer hohen Obrigkeit mit
dem Thurn oder am Gut ernstlich gestrafft werden,
darnach ein jeglicher sich wirdt zu richten wissen.
Damit auch die Pfarrherrn ihre Zuhörer mit besse-
rem Ansehen für öffentlichen Lastern warnen und
davon abhalten möchten, Als sollen inen |133| in
kommender Visitation in einem jeglichen Kirchspiel
drey oder vier ehrliche Männer, die von der gantzen

152 2Sam 12,13; 2Chr 33,12f.
153 Jes 45,22.
154 Jes 1,18.
155 Gen 3.
156 Ex 32 oder Num 12.
157 2Sam 12.
158 2Chr 33,9-13.

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