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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0111
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16. Gemeine Artikel. 1542.

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sein postillen, sein psalter mit den sumarien,
andere seine bucher lateinisch und deutsch, locos
communes, confessionem und apologiam des hern
Philippi Melanchthonis, doctoris Pomerani, doctoris
Creutziger und dergleichen nien zeugen, fleissig
lesen und oft lesen, und do sie zu arm und so
vil bücher zu kaufen nicht vormechten, so sollen
solche bucher von ider kirchen einkomen erkauft
werden, und bei einer jeden pfar neben dem in-
ventario allewege bleiben.
Die irrige ehesachen soll der herr pfarrer
und superattendent zu Wurzen neben dem burger-
meister und zween rathern, so das jar nicht sitzen,
verhören, und wo dieselbe unrichtig und schwer
sind, beider theil fürbringen kuntschaft und be-
weisung eigentlich aufzeichen lassen, und durch
das consistorium zu Wittemberg zuvorsprechen.
Wie man die kranken communiciren soll.
Erstlich soll man den kranken befragen umb
bericht ires glaubens. Wo er nun den weis zu
geben, so soll man im in gottes namen das hoch-
wirdig sacrament reichen; wo nicht so sol man in
solang unterweisen, bis er des bericht, und dar-
nach das heilig sacrament reichen.
Wenn man nun den kranken das sacrament
reichen wil, so sol man im erstlich die offen
beicht vorsprechen, und darnach sprechen die ab-
solution und trost durch die wort des heiligen
sacraments mit vleis furhalden. Darnach sol man
im den glauben und das vater unser fursprechen.
Darnach sol man die wort des sacraments knient
mit allen ehren und zucht sprechen, und darnach
dem kranken erstlich den leib und darnach das
werde blut Christi unsers lieben hern und heilands
reichen, und im darnach den segen aus dem vierten
buch Mosi geben: Der herr segene dich und be-
hute dich, der herr erleuchte sein angesicht uber
dir und sei dir gnedig, der herr erhebe sein an-
gesicht uber dich, und gebe dir fride, amen, und
darnach in gottes gnaden und schutz befelen.
Entlich sollen in allewege alle und jede
pfarrer prediger und caplan, mit allem vleis ires
ampts und studiums gott zu ehren und inen selbs
zum besten warten, und sich in gericht schreiben
und andere weltsachen keins wegs flechten, in
ansehung das allerlei faren und beschwerung
darauf steen.
Die pfarrer sollen auch in keinem wege die
holzer verwusten, sondern so sie bauholz dorfen,
mit wissen der oberkeit und des superattendenten
hauen, auch feuerholz uber sein notturft on vor-
wissen der oberkeit nicht hauen.
Wes sich die kirchner halten sollend.
Die kirchner sollen in etlichem gehorsam
gegen iren pfarrer sein, und kein verhetzung
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

oder meuterei mit den paurn oder andern wider
sie machen.
Sie sollen alzeit mit den pfarrern zu den
kranken und in die filial geen.
Sie sollen sich in iren heusern lassen finden,
und in irem dinste vleissig sein.
Sie sollen die kinder beten leren, und die so
geschickt sein, auch den cleinen catechismum
treiben.
Sie sollen kein sacrament reichen.
Sie sollen die deutsche christliche gesenge und
lieder, die inen die pfarrer anzeigen, den leien
und kindern fursingen, und dieselben sie lehren.
Sie sollen von den visitatorn und iren pfarrern
nicht ubel und schmelich reden.
Sie sollen one vorwissen und erleubnüs irer
pfarrer nicht weg geen, damit niemants an den
gottlichen sacramenten oder sunst verseumpt
werde.
Wes sich der gemein man und die pauern
halten sollen.
Der gemein man und die paurn sollen gottes
wort vleissig horen, und oft zum hochwirdigsten
sacrament geen, auch ire kinder und gesinde
treulich darzuhalten und weisen.
Sie sollen unter den predigten im kretzsch-
mar nicht trinken oder tanzen.
Sie sollen etliche als richter in der stadt und
auf den dorfern verordenen, den pfarrern ir opfer
treulich nutzlich und furderlich einzubringen.
Sie sollen den pfarrern ire zins, dezem und
zehende, und anders nicht zum ergsten, und wie
oft und dick geschickt, nicht drespen1) sondern so
guts in gott gibt nutzlich und unvorzuglich reichen.
Sie sollen ire pfarrer mit der viehut nicht
beschweren, wie dan leider an viel enden ein böser
missbrauch gewest ist.
Ein itzlich kirchspiel soll des pfarrers und
kirchners haus auf der eingepfarten unkosten er-
bauen, und in beulich wesen bringen.
Die kirchner sollen die todten on beisein
und wissen des pfarrers nicht begraben.
Die heimliche verlubnus sollen sie an gebur-
lichen enden anzeigen und nicht vorschweigen.
Idermann sol auch mit vleis drob sein, das
er und sein kint und gesind in gottes furcht und
erlich lebe.
Man sol auch die kirchhof und begrebnus
erlich und wol mit dem creuz und christlichen
gesengen halten.
Niemands sol auch die kirchner on vorwissen
und willen des superattendenten, und eines iden
orts pfarrern, ungehorsam und andere unrichtig-
keit zuvorhüten, annemen oder unterlauben, setzen
oder entsetzen.
1) drepe, trespe = Schwindelhafer.
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