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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0216
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202 Die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein und Stift und Stadt Quedlinburg.

Das siebende capitel.
Von process, so im consistorio soll ge-
halten werden.
1. Wer im consistorio zu klagen und zu
schaffen hat, der soll seine notturft schriftlich
fassen und dem consistorial secretario überant-
worten, der denn dasselbige jederzeit dem herren
präsidenten treulich referiren und vorbringen soll.
2. Wenn die sachen auch nur ein wenig
wichtig sind, soll der präses durchaus die umb-
frage gehen lassen, damit ein jeder assessor dar-
nach1) gehoret werden, und seine meinung an-
zeihen, und seine pflichten und gewissen ver-
wahren könne.
3. Seind die sachen garwichtig und gefehr-
lich, den sollen sie auch desto mehr und2) fleissiger
bedacht und erwogen werden, damit ein desto
mehr3) gründlicher und bestendiger abschied dar-
innen könne gegeben werden.
4. Es sollen in schweren fällen, sonderlich
wenn es die gewissen betrifft, den parteien auch
wohl ein monat, von einem consistorio bis zum
andern, bedenkzeit gegeben werden, mit genug-
samer verwarnunge der gefahr, so die sachen auf
sich haben, damit also kein theil zum schaden
möchten übereilet werden.
5. Was die parteien mündich gegen ein ander
reden und einbringen, das soll nicht allein von
dem consistorial notario, sondern auch von den
assessoribus selbst mit fleiss aufgezeichnet und
protocolliret werden, auf das auf den nothfall die
protocolla conferiret werden, und man sich der
sachen, wie sie zu beiten theilen vorbracht und
vorgelaufen seind, erinnern könne.
6. Es sollen auch, wo die sachen ein wenig
wichtig sein, die urtheile und abschiede schriftlich
gegeben, und doch derselbigen aller abschrift bei
den klagen und andern darzu gehörigen actis im
consistorio behalten werden. Weren aber gleich
die sachen der wichtigkeit nicht, dass schriftliche
abschiede und urtheil nötig, sollen die abschiede
doch zum wenigsten mit fleiss registriret werden,
damit also unsere consistoriales von allen und jeden
sachen, so oft und wenn es noth ist, bescheid und
rechenschaft geben, und desto weniger einiges un-
fleiss, parteiligkeit, oder anders können beschuldiget
werden.
7. Mit allen fleiss soll auch dafür getrachtet
werden, dass die parteien nicht zu lange auf-
gezogen, in weitleuftigkeit, schaden, unkosten4)
und andere gefehrlichkeiten möchten geführet
werden, sonderlich in sachen, so ehre und gewissen
anlangen, sondern nüzlichen fleiss anwenden, dass
sie dieselbigen aufs eheste vergleichen mögen.
1) E.: darauf. 2) E.: „und“ fehlt.
3) E.: „mehr“ fehlt. 4) E.: und kosten.

8. Wann die sachen auch etwas wichtig,
sonderlich aber wenn es ehesachen sind, soll denen
parteien nicht so bald auf ihre blosse aussage ge-
glaubet, sondern sie sollen mit dem eide der war-
heit beleget werden, sintemal öffentlich am tage
ist, wie gar gewissenlos die leute seind, und zu
ihren vortheil oft reden dürfen, mehr und auch
wohl anders, denn sie wissen, und jemals geschehen
ist, und mag derselbige eid ungefehr diesergestalt
gefasset und von den parteien genommen werden1):
Ich schwere, dass ich auf das alles, so mir vor-
gehalten und ich befraget werde, die reine, lautere,
einfältige und ganze warheit sagen, berichten und
bekennen, und die keiner ursachen halber ver-
halten wolle, ohne alles gefehrde und argelist,
als mir gott helfe durch Christum Jesum seinen
lieben2) sohn unsern herrn.
9. Da3) auch sonsten sachen vorlaufen, die
anders nicht entschieden werden können, denn
durch einen leiblichen eid der parteien eines oder
des andern theils und dies ein mittel göttlichen
und weltlichen rechten, irrige sachen zu ent-
scheiden, gemäss ist, sollen unsere consistoriales
sich solches weges zugebrauchen auch macht haben.
10. Doch sollen zuvor alle andere gebürliche
und rechtmessige mittel versuchet und zu diesen
nicht ehe geschritten werden, den auf den eusser-
sten und unvermeidlichen noth fall.
11. Es sollen auch in diesen die verordnunge
der rechte mit fleiss in acht genommen werden,
wenn und wie solcher eid deferiret und genommen
werden soll, damit in einer so wichtigen sache
wider recht niemand beschweret, und andere ge-
fehrliche disputationes und weitleuftigkeiten mögen
verhütet bleiben.
12. Wenn aber dieser weg soll und muss
für die hand genommen werden, denn soll der
theil, welchen das eid auferleget und zuerkant
würd, zuvor mit allen fleiss berichtet werden, dass
wer recht schwere (wenn er dazu erfodert und4)
ihme auferleget wird) nicht allein nicht sündige,
sondern auch vermöge des andern gebots unserm
herren gotte einem angenehmen dienst leiste, und
dagegen hinwiederümb auch was meineid5) und
wissentlich falsch schweren6) für eine grosse ge-
fährliche sei7), item, dass ihme auch die forma
juramenti vorgelesen, und ihme8) darauf geraume
bedenkliche zeit, sich selbst nottürftig zu prüfen
und zu bedenken, was er mit guten gewissen,
ohne verlezunge seiner seelen thun könne, den
eid entweder zu leisten, oder demselben abzu-
schlagen, und sonst zu thun, was recht ist, und

1) E: Formel des eides, so die parteien dem con-
sistorio leisten sollen. 2) E.: „lieben“ fehlt.
3) E.: wo. 4) E.: und es. 5) E.: mein-
eidig. 6) E.: geschworen. 7) E.: grosse
sunde und gefährlich. 8) E.: ihnen auch.
 
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