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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0445
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Halle.

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Wir drucken also die Ordnung nach der Halle’schen Handschrift erstmalig ab. (Nr. 88.)
Was das Entstehungsjahr anlangt, so hat man sich früher durch die Aufschrift „1541“
auf dem Aktenstück irreführen lassen. Aber schon Franke hat nachgewiesen, dass sie später
liegt; er setzt sie in das Jahr 1542.
So auch Kawerau, a. a. O. II, 191 Anm. 1; Herzberg II,177. Aber Kohlmann,
a. a. O. S. 156 hat mit Recht die Entstehungszeit noch später angesetzt, nämlich in das Früh-
jahr 1543.
Bemerkenswerth ist, wie in der Handschrift der anordnende mit dem rein gutachtlichen
Tone abwechselt. Auch das liegt in dem provisorischen Charakter der Ordnung begründet.
Es wurde früher gewöhnlich angenommen, dass die in dem erwähnten Bande des Raths-
archivs Halle unter Nr. 2 geschriebene „Kirchenordnung der christlichen gemeine zu Halle in
Sachsen“ die eigentliche Kirchen-Ordnung des Jonas sei. Diese letztere Ordnung nämlich hat
bis zum Jahre 1640 fast unverändert im Gebrauche gestanden. 1640 wurde sie auf An-
ordnung des Raths revidirt, erweitert und 1660 mit einigen weiteren Zusätzen publicirt und
gedruckt unter dem Titel „Kirchenordnung der stadt Hall in Sachsen, wie solche e. e. hoch-
weiser rath daselbst anno 1541 zuerst abfassen, anno 1640 revidiren und anno 1660 sambt dem
anhang und beilagen publiziren lassen. Gedruckt zu Hall. Mit Christoph Salfelds schriften.“
In der Vorrede wird bemerkt, dass die Kirchen-Ordnung des Jonas (d. i. die unter Nr. 2 des
Rathsarchivs erwähnte) sich darin „also bald vorn an mit grosser schrift unverändert befinde,
darauf sub signo § die revision de anno 1640 mit mittelschrift und dann, was nach der zeit
hinzugethan, sub signo §§ mit kleiner schrift, samt den literirten beilagen und chorordnung
folge“. Nach diesem Druck von 1660 hat Dreyhaupt die Kirchen-Ordnung in seiner Be-
schreibung des Saal-Creyses 1, 993 ff. abgedruckt und darnach im Auszuge Richter 1, 339,
unter der Überschrift „Hallische kirchenordnung von 1541“. Diese Notizen sind aber unrichtig.
Wie schon Franke S. 297 ff. bemerkt hat, hat der auf Jonas und das Jahr 1541 zurückgeführte
(Haupt)bestandtheil dieser Ausgabe — der wörtlich übereinstimmt mit Nr. 2 des Rathsarchivs —
zwar die Kirchen-Ordnung Nr. 1 zur Grundlage, rührt aber selbst nicht von Jonas her, sondern
stammt vielmehr aus der Zeit zwischen 1561 und 1573.
Die Angaben im gedruckten Exemplare von 1660 sind nicht ausschlaggebend, ebenso-
wenig wie diejenigen in der Handschrift. Vgl. auch die durchschlagenden Gründe von Sarau,
a. a. O. S. 81 ff. Wir haben es hier also mit einer neuen Redaktion der Kirchen-Ordnung des
Jonas zu thun, welche zwischen 1561 und 1573 fällt. Vielleicht ist sie am besten in historischen
Zusammenhang mit der Visitation des Erzbischofs Sigismund vom Jahre 1573 zu bringen.
Als Verfasser wäre dann wohl an Boëtius zu danken.
M. Sebastian Boëtius wirkte in Halle als Gymnasiallehrer, als er am 5. September 1544
einen Ruf als Superintendent nach Mühlhausen erhielt. Als dort im Jahre 1547 die katholische
Lehre wieder vorherrschend wurde, wurden die evangelischen Pfarrer beurlaubt. Boëtius ging
nach Halle als Pfarrer zu Unser Lieben Frauen und trat 1548 das Pfarramt in Abwesenheit des
Dr. Jonas an. Als Jonas 1553 von Halle ganz verzog, rückte Boëtius in seine Stelle als Super-
intendent ein und 1554 wurde ihm vom Bischof Sigismund auch die Superattendenz auf dem
Lande befohlen. (Am 30. September 1566 hat er über diesen am 13. September gestorbenen
Bischof eine Leichenpredigt gehalten, welche in demselben Jahre in Mühlhausen gedruckt wurde.)
Im Jahre 1567 folgte Boëtius wieder einem Rufe als Superintendent nach Mühlhausen,
um jedoch in demselben Jahre wieder in sein Amt nach Halle zurückzukehren, wo er am
8. Juni 1573 starb.
Diesen Abriss seiner Lebensbeschreibung entnehme ich dem Programm von Frohne,
Mühlhausener Synodalprogramm von 1710, S. 6 ff., der seine Nachrichten aus B. D. Gottfr.
Olearius, Haligraphia, S. 76 ff., schöpft.
 
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