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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0505
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Stadt Halberstadt. 108. Ordnung so die pfarvorwanten zu St. Johannis zu erhaltung der rechten armen etc. 491

Der ander artikel.
Von frembden betlern soll niemants in der
ganzen pfarr zue betteln gestattet werden, es were
dan, das stedte und flecke mit brand und anderm
schaden beschwert und das dieselbigen sonderliche
personen mit glaubwirdigen versiegelten briefen
(sintemal das oft grosse betriegerei mit solchem,
zum oftermal geschicht) anher umb hilf geschicht,
denen soll ein mal fur der kirchen zusamlen er-
leubet werden, oder das der bettelvoigt von hause
zu hause einen halben tag mit den personen
umbgehe, welchs unter den beiden vorschlegen
am bequembsten und besten sein will.
Der dritte artikel.
Die veter und mutter derer kinder, so betlen
gehen, sollen auch verhort werden, aus was not-
turft die kinder betteln gehen. Wo nun darunter
leut, die 2, 3 oder mehr kinder haben, die da
gebrechlich oder gar klein sein, und keine narung
haben, damit sie die erneheren, so sollen die
kinder aufs papier gebracht werden, sind aber
kinder darunter, so zur schuel tüchtig, die sollen
zur schuel gehalten und aus der currend versehen
werden, das sie also ihre kinder von der gassen
lassen, nicht pflasterwetter oder mussiggenger er-
ziehen, sondern etwas redlichs lernen das sie sich
ernehren kennen, da sie aber schwach und krank
wurden, und die kinder noth leiden musten, so
sollen dieselbigen veter und mutter durch zwene
ihrer nachbar bei dem pfarhern und alterleuten
ansuechen, die sollen ihnen hulf aus der armen
kisten verschaffen.
Der vierte artikel.
Diesen vor angezeigten armen mennern, frauen
und kindern, so aufs papier gebracht, den soll ver-
gunt werden, in der wochen drei tage zwischen
10 und 11 uhr in der pfarre umbzugehen, als
den sontag vor der hunersbrücken an bis an den
tittenklapp, vom tittenklap an bis auf den hohen
weck, den donnerstag von Sanct Johannis kirchen
an bis an das weichbild, und diese alle sollen
ein kupfern zeichen haben, wie es ihnen der herr
richter wird zustellen.
Der funfte artikel.
Vor solche reiche underhaltung, da got der
almechtige auch seinen segen auch reichlich zu-
geben wird, sollen die angezeigten umbgenger
alle predigtage in Sanct Johannis kirchen sein
und in sonderheit zue dreien dingen vermahnet
werden.
Zum ersten, das sie got anrufen sollen, das
got der almechtige die pfarverwandten reichlich
segen und zue ihrer nahrung gedeien geben wolte,

das sie alle muegen zugeben und die armen zu-
erhalten haben.
Zum andern, das der almechtige got auch die
herzen derer leute mildern und eroffenen wolle,
das sie reichlich denselben armen und auch den
schuelern geben.
Zum dritten, got den almechtigen fur solche
wohlthaten und dergleichen, die der ganzen christen-
heit aus lauter gnad erzeigt, danksagen, auch
loben und preisen helfen und andern guete
exempel geben.
Und alle die sich in diesem ohne redliche
ursach nicht halten werden, denen soll der umb-
gang verboten werden, damit wir mit unserm
almosen nicht ursach zue sündigen geben.
Der sechste artikel.
Item, so auch in der pfarre arme hand-
werksleute, arme taglohner sein, die etwa viel oder
weinig kinder haben und sich in ihrer vocation
vleissig zur arbeit halten, und doch der segen
nicht volget, das sie die kinder nicht erneheren
konnen, dieselbigen sollen sich auch durch zwene
getreue nachbarn dem pfarhern und alterleuten
angeben, so sollen sie gefurdert und ihre notturft
angehöret werden, und sollen den alle ihre kinder
vorstellen; befindet man aber, das sie ihre kinder
haben, die zur schuele dienen, die sollen in die
currend genommen werden; haben sie megdelein,
die ihr brot verdienen konnen, die sollen sie ver-
mieten und zuerhaltung der ander kinder, der
dan viel oder weinig sein, soll ihnen alle monat
und etzliche umb 2 monat ein scheffel rocken
oder mehl gegeben werden; zue beforderung der-
selben sollen die alterleute alle jar ein mal in
der pfarre umb korn bitten und samlen, was aber
mangeln wurde sollen sie den armen kasten zue
hulf nehmen.
Der siebende artikel.
Item, die kranken und sonst notturftige
hausarmen in der pfarre sollen die alterleute,
zum weinigsten alle jar vier mal, von hause zue
hause besuechen sambt dem pfarhern und ihre
notturft bei den nachbarn erkunden, demenach
soll den, nach vermuge des armen kasten, daraus
handreichung geschehen, wie oben vermeldet, und
nach eins jeden gelegenheit.
Woe nu diese verordnung dermassen soll
ins werk gesetzt werden, soll dem betler voigt
alle wochen 2 gr. darauf gegeben werden aus der
armen kisten, welchs das jar 5 fl. machet bisso-
lange das man sicht, das man es ihme verbessern
konne, er sich auch vleissig in seinem bevehl ver-
helt, darzu soll er das trankgelt von dem begräb-
nus auf Sanct Johannis kirchhofe haben, von
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