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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0504

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Das Bisthum Halberstadt.

des evangelii sich rümen wolte, der were billicher
Judas, der sich auch beschwert, hierinne zuver-
gleichen, den einem christen, und denen kan und
soll man verhalten die verheissung Christi, wie
droben gehort zum theile, als da seind diese und
dergleichen spruche, Selig seind die barmherzigen,
sie sollen wieder barmherzigkeit erlangen, item
machet euch freude (so!), mit dem ungerechten
mammon, auf das wen ihr nun darbet, auf-
genommen werdet in die ewigen hutten, und wie
Salomon sagt, wer sich der armen erbarmet, der
wuchert dem hern, und ist das ein grosser, heiliger,
reicher vortheil, es haben aber wenig, ja, niemants
lust darzu, aber summa summarum, mit solchem
fruchten mussen wir beweisen, das wir guete
beume seind worden durch den glauben an unsern
hern Jesum Christum, auf das wir uns selbst nit
betriegen.
Und were zwar eine grosse undankbarkeit,
wen wir christen sein wolten und unsere armen
liessen noth leiden, oder uns beschwerten, ihnen
in ihrer noth furderlich zu sein, wir sind ja got
lob und dank erlöset von so mannicherlei schin-
derei der munch und pfaffen, denen man soviel
korns und biers gegeben und andere geschenk
mehr fur ihre vigilien und seelmessen und für
ihre geplerr, das keine messe gewesen ist, item
viel geopfert uf die fest der Marien und der
aposteln, und sonst ohne aufhören gegeben zu
holzern bildern, tafeln, casseln, glocken, will ge-
schweigen der ewigen beneficien und memorien,
der bruderschaften, ablassbriefen, zue solchem
narrenwerk hatten die reichen gelder gnung, ja
auch eine arme spinnerinne, die sich der spindel
ernehrete, die gab auch willig ohne beschwerung.
Warumb wollen wir uns nu beschweren, got
in seinen gliedern, das aller geringste, ein
parteck, ein pfenning, oder groschen zugeben, wie
oft geschicht das sich ihr viel zum hechsten
beschweren, gedenken nicht was für ein grosse
gnad gots ist, das sie durch offenbarung der wahr-
heit von luegen irtumb und verdamnis, da sie
heufig ihr gelt zugeben musten, erlöset sein.
Und wiewol es sonst auch eben und gewisse
wahr, das es mit dieser sache gehet, wie sonst mit
dem ganzen evangelio, dan woe das gepredigt
wird, da seet der teufel auch sein unkraut, und
woe unser lieber got eine kirche bauet, da will
der teufel auch eine capellen haben.
Den da bei uns wahrhaftige und notturftige
arme leute sein, wie eben gehöret, da streuet der
teufel auch seine bettler, die etwa nicht wahr-
haftig arm und notturftig sein, den andern armen
ihre parteken zuentwenden und die frommen
christen mit dem mannichfaltigen prachern und
betlern zu beschweren und uberdrussig zu machen,

als da mugen sein die landstreicher und landfehrer,
verlaufene spitzbuben, toppeler, spieler, junge
stark knechte und megde, menner und trauen,
die noch stark sein und sich der arbeit und nicht
des betlen schemen, sondern ein land, stadt, dorf
und gemein nach der andern auslaufen, unterweilen
mehr gelt und guet, beinander haben als ein
redlicher handwerksman, wie es sich dan oft zue-
tregt, das wir mit unserm gelt, guet und almosen
ursache sollichen gesellen zur toppelerei, spielen,
faulheit, mord und unzucht geben, dafur sie uns
hernacher lohnen, werden feinde, mordbrenner,
strassenreuber und dergleichen und richten aller-
lei jamer und beschwerung an, wie die tegliche
erfahrung fur augen, und itzunder also am tage ist.
Eine aber allem, vermittelst gotlicher hilf,
auch rat und beistand frommer und ehrlicher leut
haben wir die pfarverwanten der kirch zue
Sanct Johannis unsern des Westendorfs und der
voigtei, ja zue gottes lob und ehr, auch zum besten
der wahren armen leute diese volgende ordnung,
wie sichs aufs fuglichste, unsers erachtens nach,
hat schicken wollen, aufs papier gebracht, und wo
man nun mit gottes forcht, rechtem ernste, ohne
heuchelei und eigennutz demselben wurde nach-
setzen, wolten wir hoffen, es solte der beschwerung
des mannichfaltigen und unerherten bettlens ein
ende gewinnen, und die unsern solten nach not-
turft erhalten und ernehret werden, das wir be-
lohnung fur got und lob bei den menschen, das
wir doch hierin nicht suechen, entpfangen wurden,
den allein gottes ehr und der wahren armen
nutz hierinnen sollen gesuecht werden.
Bitten derwegen und begeren euch den hern
richter, neben euern adjunctis, als unsern gunstigen
hern, ihr wollen dieselbige ordnung lesen und, so
etwas darinnen unformlich gestellet, bessern, das
andere und ubrige aber mit ernst helfen fort-
setzen , wie es nach ein ander in ordentliche
artikel verfasset.
Der erste artikel.
Die inheimischen betler in unser pfarr
S. Johannis wohnend von mannen, frauen und
kindern sollen ufs forderlichste alle, auch die
vetere und muttere der kinder, so betlen gehen,
in die kirch zue Sanct Johannis gefoddert werden,
und soll also erkundigung geschehen von armen
mennern und frauen, die da notturftig sein und
nicht arbeiten kennen, die sollen aufs papier ge-
bracht, den andern, so nicht notturftig sein und
auch arbeiten kennen, angesagt werden, das sie
sich ihrer hende arbeit nehren und frommen leuten
dienen und arbeiten sollen.
 
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