Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0598
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
584

Das Fürstenthum Anhalt.

Wo man nicht schuler hot, mog der pfarher mit
seinem custos das volk die christlichen gesange,
wie im letzten doctor M. gesangbüchlein vor-
zeichenet, lernen und mit andacht vor das introitum
singen, dornach di colecten de tempore, doruf singen
sunderlich im advent, weinachten, neuen jorstag,
epiphanie, purificationis, fasten, ostern, pfingsten;
darnach ker er sich kegen dem volk und lese die
epistel von der zeit mit heller stim, das er von
allem in der kirche gehort werde, nach der epistel
sing man ein ander deutsch gesang, dernach kehr
er sich wider gegen dem volke und lese das evan-
gelion, nach dem evangelion singe er: Wir glauben
all an einen gott, am suntag predigt man das
evangelion von der zeit, nach dem essen die epistel
ader den catechismum, balt nach der predigt thut
man das gemein gebet fur alles anligen und
sunderlich vor alle prediger, vornemlich aber vor
unseren lieben hern und vater d. M. und alle ge-
lerten zu Wittemberg und in der ganzen welt,
die das evangelion rein predigen, das sie got sterk
und erhalte in der rechten lehre und behute vor
schwermer und vor rotten.
Dornach bitte er vor unsern gnedigsten herrn
den keiser, vor alle stende des reichs, das in gott
helf zum erkentnus des lieben evangelii samp iren
underthanen, auch fride und einigkeit gehe und
sunderlich um unsern gnedigen fursten und herrn,
um unsere gnedige furstin und alle irer g. amt-
leut, vor alle vervolgte, vorjagte umb evangelii
willen, vor alle kranken, schwangere, seugende, vor
alle betruckte, traurige, angefochtene gewissen vom
teufel und der welt, bitte um seligs gewitter,
auch das uns got behut vor pestilenz, teurzeit, blut-
forgisen und, wo sunderlich kranke sein, das man
sich irer treulich anneme und vleissig vor sie bit.
Nach der predigt gee der pfarher zum altar,
hebe an und sing das vaterunser in eodem hin-
weg und darnach die wort des testaments Jesu
Christi, wi in doctor M. messbüchlein verzeichnet
und gebe ime keine papistische melodei und
consecrir beiderlei gestalt nach einander und gebs
dornach dem volk, auch ermane man das volk,
das man zuchtig und ehrlich sich halt und nicht
mit geprenge und hochfart hierein treten, nach
der emfaung des sacraments so sing man die colecte
und sprech den segen gegen dem volke, wi im buch
verzeichnet. Auch sehe ein iglicher pfarher vleissig
zu, das er wein gnug neme und beileib nicht thu,
wie etwan gescheen, das einer, do er zu wenig im
kelch hate und des sacraments nicht genug war,
goss er wein zu und vermeinte es were recht ge-
wesen. Es ist vil besser, wenn einer an einem
kelch nicht gnug hot, das er zwene neme. Auch
soll man keinen menschen, der alle tage voll ist
oder ein offentlich bos leben furt, leichtlich zum
sacrament lassen, er stelle es dann abe und besser sich.

Die kranken, so das sacrament begeren, zu
denen sol der pfarher komen samt seinem custos,
brot und wein mit sich nemen und nicht doheime
consecriren, wie etwan gescheen, sunder ingegen-
wertigkeit des kranken das testament Christi an-
dechtiglich handeln.
Von dem ehelichen stande.
Wir geben niemants zur ehe, er sei denn drei
suntag zuvor auf der canzel aufgeboten, auch
trauen wir niemants fremds, er bring dann gnug-
same kuntschaft, von wanne er oder si sei, das er
oder sie nicht vor mit andern verlobt seint. Wer
solche kuntschaft nicht hat, den trau man nicht,
wenn er schon burgen wil setzen, denn es macht
oft vil muhe und arbeit bei der obrickeit. Es
sollen auch die pfarhern vleissig warnen die jungen
leute fur dem heimlichen winkelgelubde, aus
welchem oftmals alles ungluk erwechst, auch sellen
di pfarhern ahn sunderliche ursach die breut nicht
in winkel, sundern in der kirchen trauen, dornach
den segen uber sie lesen, das es also alles ehr-
lich in gottes namen angefangen und volendet
werde.
Von den kranken.
Wo kranken seint, di wir wissen oder sie unser
be(r)gern, zu den gehn wir, trosten si, so vil uns
muglich, mit dem gotlichen wort, vormanen sie zu
gedult, glauben und dorin zu verharren, fragen, ap
sie mit dem sacrament vorsehen sein ader nicht,
auch, ap sie feintschaft haben, und richten uns
nach dem büchlein d. M. von der zubereitung
zum sterben und halten uns nach eins itzlichen
gelegenheit vleissig und treulich, gehen auch alle-
tage zu inen, sie zubesuchen, dann es ist nicht
gnug, wie etzliche faule pfarhern thun , wen sie
das sacrament gereicht, lassen sie di kranken liegen
und fragen nicht mehr nach inen, so es doch am
allernotigsten ist, das man am mersten helfe troste
und rathe, wens ans treffen gehet und dem tode
am nechsten ist. Wir brauchen auch noch crucifix
bei den kranken. Auch sollen di pfarhern das
volk treulich vormanen, das si das heilig sacrament
des altars nicht vorachten in tods noten und nicht
harn und vorzien, bis sie immer reden konnen
oder kein vernunft mehr haben, sunder sich in der
zeit dorzu schicken.
Von der begrebnus.
Wenn man ein tods zu bestetigen hot, sollen
di pfarhern das volk treulich vormanen, das ein
iglicher vleissig mitgehe, gote danke, das er den
verstorbenen in der bekentnus des evangelii er-
halten hab und ein iglicher, der mit gehet, sich
seins sterbens auch erinnere und sein leben bessere.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften