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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0042
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Straßburg

gen dann in Gutachten vorlegten. Der Magistrat konnte sich aber auch Unterstützung von Personen außer-
halb der eigenen Reihen holen. So ersuchte er in kirchlichen Fragen die Pfarrerschaft um ihre Meinung. Die
evangelischen Prediger traten umgekehrt aber auch selbst häufig mit Eingaben an die Ratsherren heran.

C. Die Straßburger Stifte, Klöster und Pfarrkirchen
Trotz des Siegeszugs der Reformation in Straßburg blieb eine Reihe von Institutionen der alten Kirche
während des 16. Jh. und darüber hinaus erhalten. Zu diesen gehörten das Domstift und die beiden Kolle-
giatstifte Jung und Alt St. Peter, die Häuser der Ritterorden, die Kartause und drei Frauenklöster32.
An der Spitze der kirchlichen Institutionen in Straßburg stand das Domkapitel, dem 24 Domherren aus
vornehmen adeligen Familien angehörten. Nur wenige von ihnen residierten in der Stadt, waren sie doch in
der Regel in mehreren Domstiften gleichzeitig verpfründet. Das Verhältnis zwischen Bischof und Domka-
pitel war nicht spannungsfrei, pochten die Domherren auf ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Bischof. Bei
Streitigkeiten zwischen Bischof und Stadt schlug sich das Domkapitel oft auf die Seite der Stadt. Neben den
Domherren, die in der Regel nur über die niederen Weihen verfügten, gab es am Münster noch eine bedeu-
tende Zahl von Chorherren, welche die priesterlichen Aufgaben wahrnahmen. Sie waren im sogenannten
„Hohen Chor“ zusammengefaßt33. Nach dem Beginn der Reformation fanden auch evangelische Kandi-
daten Aufnahme in das Domkapitel, wenn sie die nötige adelige Abstammung vorweisen konnten. Ihre Zahl
stieg im Laufe des 16. Jh. deutlich an. Zu einer Spaltung des Kapitels kam es Ende des 16. Jh. im soge-
nannten „Straßburger Kapitelstreit“34.
Neben dem Domstift gab es in Straßburg noch drei weitere Stifte: St. Thomas, Jung St. Peter und Alt
St. Peter35. Im Unterschied zum Domstift fanden in ihnen auch die Söhne aus Straßburger Familien Zugang
zu den Kanonikaten. Das bedeutendste unter den drei Stiften war das unter Bischof Adaloch (817-840)
gegründete Thomasstift. Ein Zeugnis für dessen Reichtum ist die Kirche St. Thomas, nach dem Münster
der bedeutendste mittelalterliche Kirchenbau Straßburgs. Mit dem Stift verbunden waren die drei Pfar-
reien St. Aurelien, St. Thomas und St. Nikolaus. 1523 wurde Wolfgang Capito Propst des Stiftes. Unter
seiner Leitung wurde das Thomasstift in ein „protestantisches Studienstift“36 umgewandelt, dessen Pfrün-
den dem Unterhalt des Kirchen- und Schulpersonals sowie der Förderung von Stipendiaten diente. Die
beiden anderen Stifte, das 1031 von Bischof Wilhelm I. gegründete Stift Jung St. Peter und das 1398 durch
die Ansiedlung von Rheinauer Stiftsherren entstandene Stift Alt St. Peter, blieben dagegen bei der alten
Kirche.
In der Reformationszeit bestanden die Stifte als Kollegien fort. Die Verfügung über ihre Kirchen hatten
sie jedoch verloren. Die Kanoniker durften den Chor zwar benutzen; der Zutritt zum Kirchenschiff, in
welchem der evangelische Gemeindegottesdienst stattfand, war ihnen allerdings verwehrt. Gestattet war
lediglich das „Singen und Lesen“, die Feier des Meßopfers hingegen nicht. Die Stifte mußten sich dem
Munizipalstatut unterwerfen, wonach jeder Anwärter auf eine Pfründe seine Tauglichkeit durch ein
Examen nachzuweisen hatte (Nr. 26 und 27). Die Besetzung der zu den Stiften gehörenden Pfarreien nahm
der Magistrat in Abstimmung mit den Kirchengemeinden vor. Zur Besoldung der Pfarrer und Helfer waren
die Stifte jedoch weiterhin verpflichtet37.

32 Zur Lage der Stifte und Klöster s. die Karte in Dollin-
ger, Emancipation, S. 64.
33 Zum Domkapitel und Hohen Chor vgl. Hahn, Katho-
lische Kirche, S. 33-66; Levresse, Prosopograhie, pas-
sim.
34 Vgl. Meister, Straßburger Kapitelstreit, passim;
Ziegler, Politik, passim; Wolgast, Hochstift und
Reformation, S. 293-297.

35 Ohne große Bedeutung war das von der Familie Müllen-
heim gegründete Stift Allerheiligen an der Steinstraße.
36 Begriff bei Knod, Stiftsherren, S. 4.
37 Vgl. Röhrich, Geschichte 1, S. 233-241; Baum, Magi-
strat, S. 61-73 und 127-146; Bornert, Réforme,
S. 69-72.

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