Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0120
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Straßburg

Der Magistrat wollte der Argumentation des Kirchenkonvents aber nicht folgen, sondern verlangte,
auch für diejenigen Personen zu predigen, die inn ihrem leben nicht durchauß und in allen articuln unserer
religion und conjession zugethan gewesen seien. Nur unchristlichen und gottlosen Personen dürfe eine solche
Predigt verweigert werden, aber nur nach Rücksprache mit dem regierenden Ammeister. Auch eine weitere
Eingabe des Kirchenkonvents vom 20. Juli 1609 fand kein Gehör bei den Ratsherren. Erst ein Vierteljahr-
hundert später hatte der Kirchenkonvent in dieser Sache Erfolg: Am 21. Dezember 1633 beschloß der
Magistrat, daß für die Reformierten bei Begräbnissen nicht mehr gepredigt werden solle592.
64. Mandat zur Beseitigung von Mißbräuchen beim Gottesdienstbesuch, 19. Juni 1616 (Text S. 703)
Bereits in der Kirchenordnung von 1534 wird darüber Klage geführt, daß sich die Gläubigen während der
Gottesdienste miteinander unterhalten und in den Kirchen umherlaufen. Wie im Mandat von 1616 ist auch
in der Kirchenordnung das Straßburger Münster hervorgehoben, da hier die Störungen besonders häufig
auftraten. Die Ausdehnung und Unübersichtlichkeit des Münsters luden anscheinend zum Lustwandeln
und zum Verüben von Unfug ein. In den Abendpredigten strömten zudem die Gläubigen aus allen sieben
Pfarreien der Stadt im Münster zusammen; dabei nutzten sie die Gelegenheit zum Austausch von Neuig-
keiten. 1534 versuchte der Magistrat die Unsitte mit einer Strafe von 5 Pfund Schilling zu unterbinden.
Gleichzeitig beauftragte er die Siebenzüchter und ihre Knechte mit der Aufsicht über die Gläubigen. Im
Mandat von 1616 wird dafür nun die Gesamtheit der städtischen Knechte aufgeboten593.
65a. Anordnung des Magistrats zur Feier des Reformationsjubiläums, 15. Oktober 1617 (Text S. 704) /
65b. Gebete zum Reformationsjubiläum, [Zwischen 15. Oktober und 1. November 1617] (Text S. 707)
Die erste Anregung zur Feier der hundertjährigen Wiederkehr des Beginns der Reformation ging von
Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz auf dem Treffen der protestantischen Union in Heilbronn im April 1617
aus. Im Nebenabschied der Heilbronner Versammlung vom 23. April 1617 verständigten sich die Teilneh-
mer darauf, daß man am Sonntag, dem 2. November, in allen Kirchen der zur Union gehörenden Stände
Gottesdienste feiern sollte, in denen für die Einführung der Reformation gedankt werde. Von den Kanzeln
sollte dabei ein Gebet mit der Bitte um Bewahrung des Bekenntnisses und um Abwendung eines Rückfalls
in die Zustände vor der Reformation verlesen werden. Die Mitglieder sollten auf ihre Prediger einwirken,
damit diese sich während der Jubiläumsfeiern jeglicher Polemik gegen die andere evangelische Konfession
enthielten. Die konkrete Ausgestaltung der Feier überließ man den einzelnen Ständen. Zu den Unterzeich-
nern des Abschieds gehörte auch die Reichsstadt Straßburg594.
Ausgehend von der Universität Wittenberg kam es etwa zur gleichen Zeit auch in Sachsen als dem
Stammland der Reformation zu ersten Planungen. Die Ausgestaltung des Reformationsjubiläums über-
nahm dort das Oberkonsistorium in Dresden. Die für Kursachsen verbindliche „Instruction und Ordnung“
zum Jubiläum erschien am 12. August. Wie vom Konsistorium vorgeschlagen, informierte der Kurfürst am
1. September in einem Schreiben die protestantischen Stände, welche die Konkordienformel unterzeichnet
hatten, über das Vorhaben Sachsens und teilte ihnen die Termine und das Festprogramm samt der für die
einzelnen Tage vorgesehenen Predigttexte mit. In Straßburg traf das Schreiben wohl Mitte September

592 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 392f.
593 Zu diesen s. den Überblick in Crämer, Verfassung,
S. 54-58.
594 Vgl. Schönstädt, Antichrist, S. 13-15.
595 Ebd., S. 15-19. Das Schreiben an die protestantischen
Stände erschien im Druck: Theologorum quorundam in

electoratu Saxoniae Epistola invitatoria ad universos
dominos theologos et ecclesiarum evangelicarum mini-
stros [...] de iubilaeo Lutherano, circa finem Octobris et
initium Novembris solenniter celebrando, amice scripta
[...], Leipzig: Abraham Lamberg / Caspar Close-
mann 1617.

104
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften