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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0235
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11. Eheordnung

[1.] Ob die Kinder, so noch imm gwallt irer vätter und älteren oder under verwaltung irer vögt8 sint, one
vorwissen und willen derselbigen mögen bestendiglich zu der Ehe greiffen oder nitt?

Nachdem ettlichmal sich zugetragen und begeben
hat, das die kinder, knaben und töchteren, so noch
under iren montbaren jaren9, darzu inn dem gewallt
irer vätter, müter und |66v| ältern Oder an stat der-
selbigen irer verordneten gschwornen vögten gwesen
sint, sich one vorwissen und bewilligen derselbigen
inn die Ehe verhewrat unnd begeben haben, darauß
dann nachmals nitt alleynig zwüschen inen selbs,
sunder auch zwüschen beyder seits verwanten, äl-
tern und freuntschafft10 grosser unwill, neidt, hasß,
zwitracht und sunst mercklicher unrathe erstanden
und erwachsen sint, Zu dem inen solchs zu meher-
malen zu verderblichem abgang irer zeitlicher habe
und güteren, darzu auch (alß zu besorgen) zu ver-
dammnuß irer seelen gereycht hat, Deßhalben, sol-
chem inn künfftigem vorzusein, inn betrachtung
und ansehung, daß inn dem göttlichen gesatzb, dar-
zu auch inn den Christlichenc keyserlichen rechten
den kinderen der Ehe halben ettwaß zu versprechen
verbotten und weß sie dessen fürnemen unkräfftig
erkennet, sonder inn dem inen vil mehr iren älteren
zugehorsamen gebotten würdt11, Heruff so ist unser
ernstlich will und meynung, daß keyn kind, es sei
knab oder tochter, so noch under dem gwalt irer
vatter und mutter oder an statt derselbigen irer ge-
schwornen vögten sint, dweil sie denselbigen dehr
und gehorsamkeytd zubeweisen schuldig sinte, sich
hinfüro on vorwissen und bewilligung derselbigen
inn die Ehe begeben und versprechen mögen. Dann,
wo sollichs darüber beschehe und für unsere verord-
nete Eherichter zu klag keme, so sollent solliche

b Mandat 1565: gesatz, den alten Canonibus.
c Fehlt in Mandat 1565.
d-d Mandat 1565: Ehr, Reverentz unnd Gehorsame.
e Fehlt im Mandat von 1565.
f-f Mandat 1565: Wa aber ein Knab und ein Dochter Fünff
und zwentzig Jar alt würden.
g-g Mandat 1565: Kinder also gefärlicher oder eigennütziger
weiß in die harr one merckliche rechtmessige ursachen
seumig würden.
h Fehlt im Mandat von 1565.
i Mandat 1565: haben. Und sollen sich hierin unsere ver-
ordnete Eherichter in erkandtnuß der vermeindten Ehe-

Ehe, alß unordenlich, ungehorsamlich und ungött-
lich beschehen, unkräfftig und unbündig durch sie
erkannt, darzu solliche partheien, je nach gelegen-
heyt der personen und ummständ des handels, ge-
straafft werden.
Deßgleichen auch, so jemandts zu solchen heymli-
chen gelöbnissen rathe, thate, hülff oder fürschub
gethon hette oder thun wurde, inn welchem weg das
were, dieselbigen sollent durch unsere verordnete
Eherichter uns anpracht unnd vermöge voriger un-
serer Constitution, je nach gelegenheyt der personen
und umbständen des handels, gestraafft wer-
den12. |67r|
fWo auch ayn knabe XXIIII jar und eyn tochter
XX jar alt wurdenf und sich inn die Ehe zuver-
hewren13 begerten, unnd aber vatter und mutter
oder an statt derselbigen die geschworne vögt inn
versehung derselbigen girer kinder also saumig wur-
deng unnd dieselbigen nit wolten verhewren lassen
oder zuverhewren gestatten, Alßdann mögent die-
selbigen, es were knabe oder tochter, solchs durch
sich selbs oder ire verwante unnd gute fründ an un-
sere verordnete Eherichter langen lassen unnd für-
pringen unnd ires entscheydts darunder erwarten.
Es sollent auch unsere verordnete Eherichter solche
ältern, vatter oderh mutter, oder die geschworne
vögt, wo sie also befunden wurden, je nach gelegen-
heyt der sachen zu straaffen macht habeni.

8 Vormünder. Zur Vormundschaft vgl. Lex. d. MA. 8,
Sp.1853-1855.
9 Noch nicht volljährig, mündig, s. DRW 9, Sp. 976
(s.v. mundbar 2).
10 Mit dem Begriff freuntschafft wird die Gesamtheit der
Verwandten bezeichnet, vgl. DRW 3, Sp. 873.
11 CIC Inst. I 10pr. (= ClCiv, ed. Krüger 1, S. 4).
12 Gemeint ist die „Constitution und Satzung“ vom
25. August 1529 (= Nr. 10) und dort der zehnte Ab-
schnitt über die Kuppelei.
13 Verheuren - Verheiraten, s. Grimm, DWb 25, Sp. 567.

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